Ein Hauch von Cordhose

Voll im Trend: Jugendliche wollen wieder Nobelpreisträger für Literatur werden

Namhafte Experten lehren den Preisanwärtern alles, was sie an Grundlagenwissen so brauchen

Immer mehr deutsche Jugendliche wollen Literaturnobelpreisträger werden. Ein Trend, der zweifellos von Günter Grass ausgelöst wurde, dem nach Gerhart Hauptmann, Thomas Mann und Heinrich Böll vierten deutschen Schriftsteller, der den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekam. Gaben vor Grass’ Auszeichnung im vergangenen Jahr lediglich drei von 1.000 deutschen Schulabgängern als angestrebtes Berufsziel „Literaturnobelpreisträger“ an, sind es in diesem Jahr schon 33 junge Leute, die es „um jeden Preis“ mit Hilfe der Schwedischen Akademie schaffen wollen.

Für den Ring deutscher Taschenbuchhändler zeichnet sich damit eine erfreuliche Entwicklung ab: Deutsche Literaturnobelpreisträger würden hierzulande mehr als dringend gebraucht. Sie steigern nicht nur die Umsätze in den hiesigen Buchhandlungen, sie bringen der gesamten heimischen Wirtschaft enorme Zuwächse. So hat beispielsweise die deutsche Breitcordhosenindustrie nach der Nobelpreisvergabe an Deutschlands bekanntesten Cordhosenträger Günter Grass die Absätze ihrer Produkte spürbar steigern können. Eine ähnlich auffällige Verkaufssteigerung konnte schon nach dem Nobelpreis für Heinrich Böll in der Baskenmützenindustrie festgestellt werden.

Ein Grund mehr, warum der Ring deutscher Taschenbuchhändler gemeinsam mit der IG Klappentext und der Arbeitsgemeinschaft Buchrückengestaltung 30 deutsche Schulabgänger zur diesjährigen Buchmesse auf einen Workshop für angehende Literaturnobelpreisträger nach Frankfurt geladen hat. Ein bislang beispielloses Projekt, das nicht nur den Segen von Kulturminister Michael Naumann erhielt, sondern von seinem Ministerium mit zwei Millionen Mark auch recht großzügig unterstützt wird. Eine Investition in die Zukunft, von der zunächst vor allem das Steigenberger Hotel „Frankfurter Hof“ profitiert. Hier nämlich, immerhin die erste Adresse der Mainmetropole, werden die 30 jungen Preisanwärter einquartiert, damit sie schon mal den luxuriösen Odem atmen können, der sie als ausgebildete Nobelpreisträger dann ständig umwehen wird.

Doch vor den Erfolg haben die Götter den Workshop gesetzt. Dort wird den Preisanwärtern alles gelehrt, was sie an Grundlagenwissen so brauchen. Angefangen von den Anlagetipps für das Preisgeld bis hin zum Training der protokollarisch korrekten Entgegennahme des Nobelpreises werden sie dabei ausschließlich von anerkannten Experten trainiert. Deren prominentester dürfte Günter Grass sein, der am Freitag in Frankfurt erwartet wird, um die jungen Leute nicht nur in Schnurrbartpflege und Pfeifestopfen zu unterweisen, sondern ihnen auch hoffentlich beibiegt, dass die Zahlung eines Trinkgeldes an den König von Schweden, wie es ja Thomas Mann bei seiner Preisverleihung noch tat, heutzutage eher zum Eklat führen würde.

Ansonsten stehen Schulungen in „Buchhaltung und Buchführung“, „Lizenz- und Filmrechtevergabe“ sowie „Nachdenklich gucken“, „aus der SPD austreten“ und „Widmungen schreiben“ auf dem Stundenplan der jungen Nobelpreisanwärter. Auch eine Exkursion in die Frankfurter Paulskirche ist vorgesehen. Hier wird – denn man weiß ja nie, was es neben dem Nobelpreis noch so alles einzustreichen gibt – die möglichst aufsehenerregende Entgegennahme des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels trainiert. Der Referent ist niemand geringerer als der Friedenspreisträger des Jahres 1998, Martin Walser, Erfinder der gleichnamigen Rede.

Selbstverständlich ist auch ein Ausflug auf die diesjährige Buchmesse geplant. Hier wird „Rolltreppe fahren“, „Autogramme geben“ und „Prosecco trinken“ geübt und auch die Teilnahme an einer Live-Sondersendung des ZDF-Kulturmagazins aspekte, mit dem Lernziel, dabei möglichst nicht einzuschlafen.

Leider ist über die Workshop-Teilnehmer, und insbesondere auch über ihre literarischen Talente, bislang wenig bekannt. Alle sollen jedoch regelmäßig Tagebuch führen und während der Pubertät Gedichte geschrieben, einer sogar schon mal ein Kapitel eines Romans begonnen haben, der den Arbeitstitel „Die Waschtrommel“ trägt und von einem eher sonderlichen Knaben erzählt, der nicht aufhören will zu wachsen. Klingt irgendwie preisverdächtig. Die Filmrechte an dem Stoff sollen jedenfalls schon vergeben worden sein. FRITZ TIETZ