Ästhetisierte Vernichtung

Die ZDF-Reihe „Holokaust“ (1. Teil: „Menschenjagd“, 20.15 Uhr) setzt Schlaglichter, zeigt aber kaum Zusammenhänge. Erklärungsversuche werden der Inszenierung geopfert

„Die Truppe führt Befehle mit sich, die zu Kriegverbrechen auffordern“, dröhnt die Stimme aus dem Off. Zu sehen ist der Aufmarsch deutscher Landser, der Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941: „Bei der Jagd nach Juden hilft die Wehrmacht aus.“

„Holokaust“ heißt das aktuellste Produkt aus der Geschichtsmaschine von Guido Knopp, sechs Teile, maßgeblich vom ZDF produziert. Knappe Sätze, harte Schnitte. Sonore Sprecherstimmen, die eher in einen Western als zu einer Dokumentation passen. Knopp also wie immer, mit einem entscheidenden Unterschied: In keinem seiner bisherigen Filme wurde die Beteiligung der Wehrmacht an der Vernichtung der Juden so klar formuliert.

„Menschenjagd“ ist der erste Teil betitelt, konsequent knapp sind auch die weiteren formuliert: „Entscheidung“, „Ghetto“, „Mordfabrik“, „Widerstand“, „Befreiung“ folgen bis November im Wochenabstand.

Die Dokumentar-Reihe von Maurice Philip Remy und Stefan Brauburger setzt Schlaglichter, Zusammenhänge zeigt sie nicht. Will sie auch wohl nicht zeigen: „Es gibt keine Erklärung“, sagt der Historiker Eberhard Jäckel, seit langem einer der Hauptberater der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, und meint damit den Holocaust. – Holokaust, so Jäckel, um das „untaugliche Wort“ aus der Bibel, das eigentlich für ein Brandopfer stehe, wenigstens einzudeutschen.

Das ist zu kurz gesprungen, selbst der Film erliegt hier und da der Andeutung einer Antwort, die aber hinter dem von der ZDF-Zeitgeschichtsredaktion entwickelten Ästhetizismus zurückbleibt.

Der ist hier – Farbfilm sei Dank – endgültig auf die Spitze getrieben: Wenn da ein jüdischer Zeitzeuge aus dem Baltikum die pro-deutsche Haltung seines Vaters beschreibt – „Was war schon höher als deutsche Kultur?“ –, kippen die Stukas zum Angriff ab: „Der Wille zur Zerstörung“, raunt die Stimme aus dem Off.

Die Zeitzeugen sitzen vor einer schwarzen Wand, nur ein Lichtstrahl erhellt, von rechts oder links oben gesetzt, ihr Gesicht. Auch sie dürfen nicht ausreden, erreichen dafür aber immerhin normale Satzlängen. Der eigentliche Kommentar ist stichwortartig-spröde, vollendet hier und da den begonnenen Satz der Opfer oder Täter, spitzt ihn zu.

Wer von den überwiegend männlichen Zeitzeugen nicht Deutsch spricht, wird gnadenlos vom Marlboro-Mann synchronisiert, auch wenn hinter der martialischen Stimme der Originalton ganz anders klingt.

Begreifen stellt sich so nur selten ein, höchstens dann, wenn beispielsweise ein ehemaliger Rittmeister sagt: „Franzosen und Engländer waren Gegner, die wir nicht als Feinde empfunden haben. Die Sowjets waren Feinde. Erbitterte Feinde.“ Auch Schriftstücke, Dokumente, Einsatzbefehle werden nur noch durchs Bild gezogen – um dann ein Wort formatfüllend herauszuzoomen: „Jude“ oder „Vernichtung“ steht dann da.

„Ein wesentliches Anliegen des Filmprojekts ist Authentizität“, heißt es beim ZDF. Doch im Film überwiegt die Inszenierung – und immer wieder der Stolz, „noch nie gezeigte Aufnahmen“ präsentieren zu können. Gleich dreimal tönt die Exklusiv-Fanfare allein im ersten Teil. STG