Erst die Werbung, dann das Urteil

„Richterin Barbara Salesch“ spielt auf Sat.1 jetzt täglich Strafrechtsfälle nach – und zeigt sogar deren Grenzen auf

„Sie wollten also anderen Menschen helfen?“, fragt Richterin Barbara Salesch, der skeptische Unterton ist unüberhörbar. Vor ihr steht ein verstockter Zivi, der als Sanitäter bei Rockkonzerten bewusstlosen Mädchen den Schmuck stibitzte. Wegen Diebstahls ist er nun angeklagt und erhält von Barbara Salesch am Ende eine Bewährungsstrafe.

Eine Strafe? Tatsächlich, Barbara Salesch hat umgesattelt. Seit Anfang Oktober beschäftigt sich die Fernsehrichterin täglich um 15 Uhr mit Strafrechtsfällen. Nicht jedem Zuschauer dürfte der Wechsel aufgefallen sein. Denn Saleschs mütterlich-resolute Art prägt auch die neue Staffel der Gerichtsshow von Sat 1.

Früher stritten sich zwei Parteien vor Barbara Salesch, und die entschied. Jetzt kommt noch Staatsanwalt Hindelang ins Spiel. Er schildert den Sachverhalt, bevor Salesch den Angeklagten, die Geschädigten und auch die Zeugen vernimmt. Nach den Pladoyers gibt es eine Werbeunterbrechung – dann spricht die Richterin das Urteil.

So geht das zwei Mal in einer Stunde. Auch die Strafprozesse sind bei Barbara Salesch kurz, volksnah in der Sprache – und juristisch ziemlich korrekt. Barbara Salesch ist nämlich keine Schauspielerin, sondern beurlaubte Richterin. Bei Sat.1 hat sie vor rund einem Jahr mit zivilrechtlichen Streitigkeiten und real existierenden Fällen angefangen. Da an deutschen Gerichten aber nicht gedreht werden darf, fungierte Salesch als privates Schiedsgericht. Natürlich wollten die Rechtssuchenden nicht zuletzt ins Fernsehen kommen, aber die Fälle – zum Beispiel Regina Zindlers „Maschendrahtzaun“ – waren echt.

Das ist nun vorbei. „Richterin Barbara Salesch“ rückte vom Vorabend ins Nachmittagsprogramm und wurde neu konzipiert. Authentische Fälle gibt es jedoch nicht mehr. Alle Rollen werden von Komparsen dargestellt – nur „Staatsanwalt“ Hindelang (im Privatleben Anwalt), gelegentlich auftretende Verteidiger oder Gutachter sind echt.

Ist Strafrecht nun spannender? Eher nein. Die Grundfragen sind jedenfalls immer dieselben. Wird der Angeklagte freigesprochen oder verurteilt? Wie hoch ist gegebenenfalls das Strafmaß? Die wirklichen Probleme der Beteiligten werden so natürlich auch nicht gelöst. Damit wird aber ganz nebenbei auch der beschränkte gesellschaftliche Nutzen des Strafrechts deutlich. Vielleicht zeigt Salesch ja mal, wie Täter-Opfer-Ausgleiche ablaufen. Im realen Strafverfahren werden sie immer noch zu selten angewandt.

Dass der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Rainer Voss, ihre Verhandlungen in die Nähe von „Comics“ rückte, hat sie getroffen. „Auch wenn im Fernsehen nur eine Viertelstunde zu sehen war, haben wir oft eineinhalb Stunden verhandelt“, betont sie. „Unter vier Augen sagen mir auch viele Richter, dass sie die Sendung gut finden, nur öffentlich traut sich das keiner.“

Ihre geht es vor allem um Aufklärung und Wertevermittlung. „Ich bin ein grundpädagogischer Mensch“, sagt sie über sich. Bei Barbara Salesch bekommt der Böse also immer seine gerechte Strafe und die Guten werden freigesprochen. Kein Wunder, dass sie treue Fans hat: „In Barbara Salesch habe ich eine Million mal mehr Vertrauen als in unser offizielles Rechtssystem“, hieß es neulich in einem Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung.

Auf dem neuen Sendeplatz muss sie sich ihr Publikum allerdings erst mal erkämpfen. Dort steht sie zudem in direkter Konkurrenz mit „Streit um drei“ im ZDF. Strafrecht gegen Zivilrecht, heißt es jetzt jeden Nachmittag.

Die Quoten sind bislang ordentlich, wie früher liegen sie bei rund zehn Prozent. Schlechtere Werte wären jedoch auch nicht existenzbedrohend. Denn zur Not bleibt Barbara Salesch immer noch der Weg zurück – in den echten Gerichtssaal: Vor ihrer Beurlaubung für Sat.1 war Barbara Salesch Vorsitzende Richterin einer Strafkammer am Hamburger Landgericht.

CHRISTIAN RATH