„Herr Bundeskanzler, handeln Sie!“

Volker Kauder, CDU-Generalsekretär in Baden-Württemberg, will das Thema Einwanderung in Deutschland nicht länger unter der Decke halten. Damit mache man rechtsextremen Kräften Platz. Im Ländle findet im März die nächste Landtagswahl statt

taz: Warum ist in der Union das Interesse am Wahlkampfthema Einwanderung so groß – bisher hat es Ihre eigenen Reihen doch eher durcheinander gebracht?

Volker Kauder: Einwanderung ist doch nur deshalb als Wahlkampfthema in die Diskussion gekommen, weil die Bundesregierung erklärt hat, sich mit Einwanderung in dieser Legislaturperiode nicht mehr befassen zu wollen.

Immerhin gibt es die Einwanderungskommission unter Vorsitz von Rita Süssmuth, Ihrer Parteifreundin.

Die ändert daran erst mal nichts. Es steht das Wort des Bundeskanzlers. Herr Schröder will bis 2002 keine gesetzliche Regelung zur Einwanderung. Die Menschen werden uns aber ständig auf dieses Thema ansprechen. Das ist doch alles, was Friedrich Merz gesagt hat: Wenn sich hier nichts tut, muss man es im Wahlkampf ansprechen.

In Baden-Württemberg müssen Sie sich schneller entscheiden –im März 2001 sind Landtagswahlen. Merz denkt an Kampagnen, Merkel hält das nicht für hilfreich. Was wird denn nächstes Jahr auf Ihren Plakaten stehen?

Der Schwerpunkt des Wahlkampfs dreht sich um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die CDU hat sehr genaue Vorstellungen, was wir tun müssen, damit Baden-Württemberg auch in den nächsten zehn Jahren Spitze bleibt.

Hans-Olaf Henkel, eine Art Generalbundesexperte für Zukunftsfähigkeit, fordert beim Thema Einwanderung Zurückhaltung. Werden Sie sich daran halten?

Es ist schon erstaunlich, dass gerade jemand wie Herr Henkel, der jeden Tag darüber redet, dass wir Zuwanderung brauchen, jetzt plötzlich Zurückhaltung fordert. Wir werden im Wahlkampf all die Themen besprechen, die die Menschen bewegen und die nach einer Lösung verlangen.

Das haben Roland Koch und Jürgen Rüttgers in Hessen und Niedersachsen auch behauptet.

Wir werden den Wahlkampf verantwortungsbewusst gestalten. Aber über Strategien rede ich nicht.

Hat Herr Koch verantwortungsbewusst gehandelt?

Beim Doppelpass ging es um ein Vorhaben, das die Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt hat. Die Unterschriftenkampagne war in keiner Weise unanständig.

Aber sie war nur deshalb so erfolgreich, weil sie Ressentiments heraufbeschworen hat.

Ich kann nur davor warnen, die Meinung der Bevölkerung als Ressentiment zu diffamieren. Es geht darum, mit den Menschen zu reden, ihnen ernsthafte Anliegen und Sorgen zu nehmen.

Sie reden, als seien Sie ein Seelsorger.

Wie ich meine Aufgabe verstehe, dürfen Sie schon mir überlassen. Aber es geht nicht, dass der Bundesinnenminister scharf daher redet mit Sätzen wie „Das Boot ist voll“, und dann wird das Thema vom Bundeskanzler zum Tabu erklärt. So funktioniert Demokratie nicht, da fühlen sich die Menschen auf den Arm genommen. Wir haben schon viel zulange das Thema Zuwanderung unter der Decke gehalten in Deutschland. Damit macht man Platz frei für die rechtsextremistischen Kräfte in diesem Land.

Als die CDU 1992 in Baden-Württemberg einen Asylwahlkampf führte, kamen die „Republikaner“ auf 10,9 Prozent.

Hätten wir den Asylkompromiss, den wir nach der Landtagswahl gefunden haben, schon vorher gefunden, hätten die „Republikaner“ deutlich schlechter abgeschnitten.

Die beste Chance für die Bundesregierung, das Thema Einwanderung aus dem Wahlkampf 2001 herauszuhalten, ist, ein Einwanderungsbegrenzungsgesetz vorzulegen. Deshalb ruft die CDU Baden-Württemberg: Na los, Herr Bundeskanzler, handeln Sie! INTERVIEW: PATRIK SCHWARZ