Bedrohte Körperformationen

Claire Denis' Beau Travail zeigt die Wiederkehr des Verdrängten  ■ Von Doro Wiese

In der Oktober-Ausgabe des schwulen Magazins Sergej ist zu lesen, Claire Denis' Film Beau Travail werde „eine nicht unproblematische Nähe zu den Filmen Leni Riefenstahls nachgesagt“. Über ein solches Verdikt kann man stolpern oder es möglicherweise sogar berechtigt finden, denn Beau Travail teilt mit Riefenstahls Filmen einen ästhetisierenden Blick auf Körper und ihre Formationen. Doch darin erschöpft sich auch schon die Ähnlichkeit. Schließlich wird Riefenstahl trotz aller Rehabilitierungsversuche in den Himmel faschistischer Kunst eingehen müssen, weil sich in ihren Reichstagsfilmen die Körperformation der Masse eindeutig auf den Führer ausrichtet, für den ihre Ordnung existiert. Und ein solcher Fluchtpunkt des Sinns von Selbstaufgabe in der Masse fehlt in Denis' Film vollständig.

Beau Travail – zu sehen auf dem Lesbisch-Schwulen Filmfest – zeigt vielmehr vorbildhaft, welche Ausschlüsse ein Körperideal produziert, das so sehr auf Unverletztlichkeit und Unberührbarkeit setzt. Ein Ideal, das man andernorts gern als „phallisch“ bezeichnet, da es männliche Autonomie markiere. Auch wenn eine solche Bezeichnung streitbar ist, so hilft sie doch, den Spuren einer gesellschaftlichen Körperordnung nachzugehen, in der Anzeichen einer sexuellen – weiblichen oder schwulen – Penet-rierbarkeit gleichzeitig Machtverlust markieren. Nicht umsonst gibt es Röcke und Hosen. Und nicht zufällig war homosexuellen Männern bis Ende der sechziger Jahre hierzulande der Wehrdienst verboten. Schwule im Militär schienen einer Unterwanderung gleichzukommen, die kraft eines möglichen homoerotischen Begehrens die Illu-sion des wehrfähigen, unangreifbaren, soldatischen Mannes zerstören.

Umso brisanter ist es, dass Denis ihren Film in der militärischen Organisation einer Fremdenlegion ansiedelt. Unter der schweißtreibenden afrikanischen Sonne stählen die Männer ihre Körper, durchqueren die tiefsten Gräben, üben sich in Liegestützen, und verschwitzt stürmen sie leerstehende, verfallende Gebäude. So könnte es bis zum Ende aller Zeiten weitergehen. – Aber es kommt etwas dazwischen, es mischt sich ein, es stört. Ein unbenanntes Etwas. Ein diffuses Begehren, das zwischen dem Wunsch nach Anerkennung durch den vorgesetzten General Forestier und dem Wunsch nach Auslöschung dieser Sehnsucht schwankt.

Vermittelt wird all das durch Blick und Stimme eines Ich-Erzählers, Galloup, der gleichzeitig die Fremdenlegionäre ausbildet. Und obwohl die Geschehnisse mit seinen nüchternen und sachlichen, Gefühlen ausweichenden Worten wiedergegeben werden, gelangt sein verdrängtes Begehren durch mörderische Aktivitäten in die Filmhandlung hinein. Denn General Forestier ist einem Anderen zugetan, der sich zudem als mutig erwiesen hat. Derart gekränkt, sinnt Galloup auf Rache. Lassen sich schon die eigenen, beklemmenden Gefühle nicht ausschalten, so kann wenigsten der Andere, Sentain, von der Bildfläche verschwinden. So verstärkt Galloup die Anforderungen an seine Truppe, auf eine Schwäche in der glatten Oberfläche seines ungewollten Widersachers hoffend. Er findet sie in Sentains menschlichen Gefühlsregungen, wenn der sich gegen ungerechte Behandlungen wehrt. So kann die Strafe und mit ihr die Vernichtung des eigenen Wunsches ihren Lauf nehmen.

Denis nimmt sich in Beau Travail eines Stoffs an, der durch Hermann Melvilles Billy Budd die Bühne der Weltliteratur betrat. Auch der Roman eröffnet eine Dreierkonstellation innerhalb einer militärischen Einheit: an Bord eines Kriegsschiffs, in der ein untergebener Mat-rose nach der Verleumdung durch den Waffenmeister den Tod findet. Während aber Melville die Geschehnisse durch den Kapitän berichten lässt, um die Unausweichlichkeit einer unvollkommenen Gesellschaft auszudrücken, wechselt Denis die Erzähler aus und erlaubt so eine psychologische Studie des eifersüchtigen und neidischen Verleumders. Dessen mörderische Gefühlsgrube entwickelt sich jedoch zuallererst einer sozialen Ordnung wegen, in der Gefühle nicht zum Ausdrucksreportoire gehören, sondern vielmehr hinter genormten Verhaltensmustern und rigiden Körperbewegungen verschwinden und ausgetrieben werden sollen.

Dass eine solche Gleichschaltung von Körpern nie vollständig erreicht wird, sondern von individuellen Wünschen unterbrochen und verunsichert werden kann, zeigt der Film auf der Ebene der Handlung. Das Zeigen von Körpern, die sich einem Ideal von genormter Härte und Stärke annähern sollen, ist ja keineswegs die einzige Darstellungsebene des Films. Nicht der Riefenstahlschen Einheits-Körperformation wird in Beau Travail das Wort geredet, sondern einer zerrissenen Gefühlslage, die sich ihren Ausdruck sucht und nur unter der sozialen Bedingung ihres Ausschlusses denkbar ist.

Donnerstag, 22.30 Uhr, Studio