Beseelte Motorräder

Kreativ modellierender Mondschein: Tanz-Improvisationsfestival der Hamburger „Triade“ auf Kampnagel  ■ Von Annette Stiekele

Der Tanz ist ein schwieriges, weil flüchtiges Element, einen Moment nur existierend, dann schon vorüber. Gerade dadurch ermöglicht er eine weitgehend sinnliche Erfahrung. Und doch ist es für viele gerade deshalb schwierig, Zugang zum modernen Tanz zu finden. Um dem abzuhelfen, gibt es zum Beispiel in Hamburg die Tanzinitiative, die in Kursen und Workshops Möglichkeiten des Zugangs eröffnet und in Festivals immer wieder ein anregendes Forum bietet. Und auch in diesem Jahr widmet sie dem Tanz wieder ein großes Festival. Vom 25. Bis zum 29. Oktober heißt es: alla prima, Internationales Improvisationsfestival.

1993 gegründet, fand der Verein der Tanzinitiative im Studio der Triade in der Bernstorffstraße ein Zuhause. Seitdem haben die vier Gründerinnen, Tänzerinnen und Choreographinnen bereits zwei Festivals ausgerichtet. 1995 widmete sich das Festival Schanzen-Tanz ganz den Experimenten junger Hamburger Choreographen und Tanzfilmer, Im März 1999 wurde das Festival Körperglimmen mit dem Schwerpunkt Training und Technik durchgeführt.

Der Name alla prima, entstammt ursprünglich der Malerei und bedeutet „einschichtige, direkte Malweise“. Darin sehen die VeranstalterInnen eine Anspielung auf die Interdisziplinarität und den an der Improvisation orientierten Charakter der Performance. Bei der Suche nach neuen Ausdrucksformen und der Hinterfragung verschiedener Spielarten der Performance werden sich Künstler aus Brüssel, London, Amsterdam oder San Franzisko präsentieren.

Bei alla prima soll es in diesem Jahr um die Schnittstelle von Raum, Zeit und Körper mit dem Schwerpunkt Performancekunst gehen. Geplant ist, vor allem Interdisziplinarität im Wechselspiel von Stimme, Sprache und Musik zu erforschen: Wie funktioniert das Zusammenspiel im unmittelbaren Bühnengeschehen? Nicht zuletzt zeigte sich in den vergangenen Jahren, dass die freie Improvisation im Tanz mit seinem festgelegten Gefüge eine immer größere Bedeutung erlangt und für neue Formenvielfalt sorgt. Für ihr Anliegen konnte die Tanzinitiative sogar eine Förderung der Kulturbehörde erreichen. Namhafte Choreographen werden Workshops für professionelle Tänzer und Performer geben. Der andere Teil des Festivals erstreckt sich auf öffentliche Darbietungen von Tanzperformances und die Präsentation von Workshopergebnissen.

Mit einem Improvisationsabend feiert die Tanzinitiative am 27. Oktober auf Kampnagel. Daran beteiligen sich die Action-Theater-Vertreter Sten Rudström aus San Franzisko sowie Susanne Brian und Christian Meyer aus Berlin, die freischaffend als Tänzerin und Musiker die Zusammenhänge von Stimme und Bewegung erforschen. Aus Brüssel kommen Catherine Massin und Pierre Rubio und zeigen ihre Programme Conversations und Stories for People with Short and Long Hair.

Darüber hinaus stellen sie Ergebnisse des Workshops I Lang-uage of the Body/ Body of the Lang-uage vor. Massin und Rubio geht es darum, zuerst den Körper offen und bereitzumachen, um anschließend der Stimme Raum zu geben. Ähnliches hat Masako Noguchi, Mitglied der Magple Music Dance Company, aus Amsterdam vor, die die Ergebnisse des Workshops II Moon Tan vorstellen wird. Sie versucht, mit anderen die Veränderung, die das Mondlicht auf jeder Gestalt hervorruft, in Bewegungsabläufe einzubringen.

Extra aus Schweden reist Bronja Novak an, die ihr skurriles Ballet de la MC für eine Tänzerin und, ja, ein Motorrad zeigen wird. Die leidenschaftliche Motorradfahrerin ist Mitglied der Göteborger Compagnie Parkerad Rörelse und arbeitet seit Jahren an der Verbindung von Tanzimprovisation, Stimmarbeit, Theater und Musik. Gemeinsam mit Rick Nodine aus London wird sie auch ein Duett hinlegen, bevor er den Abend mit der Improvisation minutes after beschließt.

Einen Tag später zeigt noch einmal Sten Rudström in einer Lecture und Studioperformance in der Triade, was genau es mit dem körperlich sehr anspruchsvollen und nicht zuletzt enorm anstrengenden Action Theater auf sich hat. Catherine Massin und Pierre Rubio legen an gleicher Stelle ihren besonderen Improvisationsansatz, der die Verbindung von Körper und Sprache betont, dar. Bei einem so vielfältigen Spektrum aus verschiedenen Improvisationsschulen ist mit Sicherheit für jeden, der sich für die Faszination jenes flüchtigen Elements interessiert, etwas dabei.

Festival: Mittwoch bis Sonntag, Kampnagel, Programminfo: Tel.: 040 / 491 78 60