Mehr Minnie Mouse als Barbie Puppe

■ Britney Spears begeisterte in der Stadthalle in erster Linie (und Reihe) Mädchen im Pre-piercing-Alter

Britney Spears kann nicht tanzen! Ich weiß, dass die 10.000 enthusiasmierten Fans, die sie am Dienstagabend in der Bremer Stadthalle bejubelten, da ganz anderer Meinung sind. Aber wenn man sich genau ansieht, wie sie sich auf der Bühne bewegt, dann wartet man immer unwillkürlich darauf, dass sie sich vor lauter Anspannung und Konzentration auf die Unterlippe beißt.

Jede Bewegung wirkt einstudiert, bei jedem Tanzschritt merkt man, wie sehr sie sich bemüht, nur ja alles richtig zu machen. Dadurch wirkt bei ihr alles abgehackt und schwer. Bei guten Tänzern scheinen auch die kompliziertesten Schrittfolgen schwerelos und spielerisch zu sein, Britney Spears bewegt sich dagegen fast rührend unbeholfen – und genau das ist vielleicht einer der Tricks ihrer Designer (denn Britney Spears ist natürlich ein durch und durch synthetisches Produkt).

Während ihr tänzerisches Unvermögen in den Videos durch die schnelle Schnitttechnik noch einigermaßen kaschiert wird, tritt es bei ihren Auftritten natürlich offen zutage. Und zerstört nicht etwa die Illusion, sondern verstärkt sie sogar noch! Die Frage ist ja, ob ihre Fans (in der Bremer Stadthalle waren das in großer Überzahl Mädchen im Pre-piercing-Alter) überhaupt eine perfekt tanzende Britney haben wollen. Wenn man sieht, wie sie alle Lieder mitsingen, und zum Teil auch mittanzen, wird klar, dass sie Britney Spears als eine Projektionsfläche von sich selbst ansehen. Die Schritte kann man im Kinderzimmer gut einüben, und dann sehen sie im Grunde auch nicht viel schlechter aus als bei der idealen großen Schwester Britney. Wenn die perfekt wäre, dann wäre sie auch unerreichbar und damit uninteressant.

Britney Spears wurde nicht umsonst beim Mickey Mouse Club entdeckt und gefördert. Mit ihrer cartoonhaft übertriebenen Mimik, den großaufgerissenen Augen und dem riesigen Lächeln erinnert sie eher an Minnie Mouse als an eine Barbie Puppe. Und deswegen kommt sie auch mit ihrem hochspekulativ eingesetzten Schulmädchensex so gut durch. Wenn früher in Interviews danach gefragt wurde, ob ihr erster großer Hit „Hit me Baby one more time“ nicht zumindest zweideutig wäre, konnte sie mit großer Überzeugungskraft so tun, als wisse sie überhaupt nicht, wovon geredet wurde. Übrigens heisst das Lied in der offiziellen Discographie brav „Baby, one more time“.

Auch bei ihrer Pressekonferenz in Bremen wurde wieder kund getan, dass die Kunstfigur Britney Spears (von dem Menschen kann man ja nur mit Gewißheit sagen, dass er nicht tanzen kann) noch Jungfrau ist. Und dann geht sie hin und macht eine Coverversion vom dirty oldie der Rolling Stones „Satisfaction“! Solche Absurditäten und Ironien, von denen man nicht einmal genau sagen kann, ob sie tatsächlich unfreiwillig sind, machten den Auftritt von Britney Spears dann auch für den Rezensenten, der schon Jahrzehnte von der Zielgruppe entfernt ist, zumindest interessant. Natürlich schwillt einem der Kamm, wenn da auf der Bühne der Sony & Cher-Klassiker „And the Beat goes on“ so verhunzt wird, als wäre „The Beat“ schon längst verendet und verwest. Der Rhythmus ist low-fat und coffeinfrei, und alles, was den Designern von Britney Spears sonst zu dem Song einfiel, war, sie an Drähten aufzuhängen und ein paar Meter über der Bühne schweben zu lassen.

Aber man muss auch anerkennen, dass das Produkt perfekt verpackt ist. Mal ist da die Bühne wie ein riesiges Kinderzimmer mit Plüschtieren und vielen Flauschekissen im Bett dekoriert, Britney trägt sogar die in den USA so beliebten Plüschtier-Pantoffeln. Aber dann reißt sie sich keck das Hemd auf, darunter ist ihr inzwischen schon dritter kurzer Top mit enger weißer Hose und dem berühmtesten Bauchnabel des neuen Jahrtausends – diese Dramaturgie ist ebenso simpel wie wirkungsvoll. Und das Publikum wird so mit Bühneneffekten wie Feuerwerk, Videoprojektion und Konfettikanonen zugeschossen, dass es nach einer guten Stunde schon erschöpft ist und kaum merkt, wie kurz das Konzert eigentlich war.

Die Fans waren zufrieden, und auch die Eltern brauchten sich nicht allzuviel Sorgen machen, denn mit etwa 30 Kreislauf-Kollapsen war es in der Krankenstation vergleichsweise ruhig.

Wilfried Hippen