Durchsichtige Taktik

Auf spektakuläre Kündigungen folgt prompt eine Gehaltserhöhung.Doch bei der „Lausitzer Rundschau“ hat sich niemand wieder richtig lieb

„Wir sehen auch,mit welcher Zermürbungstaktik der Verlag operiert“

von STEFFEN GRIMBERG

Befriedung in Cottbus: Bei der durch die spektakulären Hinauswürfe der letzten Zeit (taz vom 12. 10.) gebeutelten Lausitzer Rundschau folgte auf die Peitsche jetzt das Zuckerbrot. Der umkämpfte Haustarifvertrag für die rund 320 MitarbeiterInnen des Blattes fällt deutlich besser aus als erwartet.

Zwar bleiben die Gehaltszuwächse etwas hinter dem in der vergangenen Woche abgeschlossen Manteltarifvertrag zurück, im Vergleich zu den „entsetzlich düsteren Aussichten“ am Beginn der Verhandlungen „haben aber alle hier aufgeatmet“, sagt die LR-Betriebsratsvorsitzende Erika Pchalek.

Deutliche Einkommensverzichte hatte der Verlag zu Beginn der Verhandlungen vor über einem Jahr noch von der Belegschaft gefordert – sonst, so hieß es damals, sei ein Stellenabbau unvermeidlich. Diese Einschüchterungsversuche gingen nach hinten los: Anstelle von Stellenabbau und Lohnverzicht musste der zum Holtzbrinck-Konzern gehörende Verlag jetzt neben 1- bis 1,5-prozentigen Gehaltserhöhungen auch noch den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen bis 2003 unterschreiben. Selbst bei etwaigen Ausgliederungen bestimmter Betriebsteile fallen die Betroffenen unter diese Schutzklausel – mit Blick auf den ostdeutschen Zeitungsmarkt, wo schon mal versucht wird, ganze Lokalredaktionen zu vom Mutterhaus unabhängigen Unternehmen zu erklären, nicht ganz unwichtig.

Der Betriebsrat ist mit dem Ergebnis zufrieden. „Die gesamte wirtschaftliche Situation in der Niederlausitz“, so Pchalek, mache eben auch vor dem eigenen Hause nicht Halt.

Beim Verlag wird wohl eher die Faust in der Tasche geballt: Denn eigentlich wollte die Geschäftsführung hart durchgreifen und opferte dieser Verhandlungsstrategie die eigene Chefreporterin: Weil Sandra Daßler in der Haustarifkommission engagiert gegen die Verlagsseite Front machte, wurde sie gekündigt. Ihr Mann, zu diesem Zeitpunkt immerhin stellvertretender Chefredakteur der Lausitzer Rundschau, durfte gleich mit.

Schlimmer als das über die Zeitung darauf hereinbrechende Medienecho dürfte dabei der Imageverlust vor der eigenen Haustür gewesen sein: Cottbus ist verhältnismäßig übersichtlich, und zahlreiche Persönlichkeiten der Stadt machten aus ihrer Verwunderung über das durchsichtige Abservieren der Daßlers keinen Hehl.

Während sich Harald Daßler mit dem Verlag geeinigt hat und mittlerweile bei der Dresdner Morgenpost arbeitet, klagte seine Frau gegen ihre Kündigung.

Dass der Verlag der Lausitzer Rundschau kurz vor der Zustimmung zum Haustarif auch noch diesen Kündigungsprozess gegen Sandra Daßler in allen Punkten verlor, dürfte zusätzlich gewirkt haben. Insider vermuten außerdem ein Machtwort der Stuttgarter Holtzbrinck-Spitze hinter dem plötzlichen Einlenken: Weitere Eigentore der Cottbusser Geschäftsführung und anhaltend miese Stimmung in der Redaktion kann der auf Seriosität und demonstrative Zurückhaltung bedachte Konzern nicht gebrauchen.

Doch von abbröckelnder Solidarität der Redaktion kann bei aller Freude über den jetzt erfolgten Tarifabschluss keine Rede sein: „Die Daßlers waren das Opfer“, sagt ein Redakteur. „Bei aller Zufriedenheit sehen wir auch, mit welcher Zermürbungstaktik der Verlag operiert.“

Deren nächstes Kapitel folgt garantiert: Sobald die Urteilsbegründung des Arbeitsgerichts Cottbus vorliegt und das Urteil rechtskräftig ist, muss die LR nämlich ihre Chefreporterin wieder arbeiten lassen. Da Chefredakteur Peter Stefan Herbst während der Verhandlung allerdings ausdrücklich erklärt hat, keine Artikel von Sandra Daßler mehr im Blatt zu dulden, wird der Konflikt die LR noch weiter beschäftigen.