Sehr geehrte Redaktion

Zuerst möchte ich mich als treuer Leser Ihrer Zeitung bedanken, dass ich jeden Tag Interessantes und Wissenswertes aus allen Bereichen bekomme. Berichte (zum Teil mit Bildern), die mich umfassend und schnell informieren.

Eure „Aktion“, die taz darf nicht sterben (taz muss sein), finde ich im Interesse der Zeitung nicht so gut. Durch diesen Überlebenskampf (u. a. finanzieller Art) ist diese Zeitung gezwungen, neben laufender, schneller Berichterstattung dies auch kostengünstig zu finanzieren. Dass dies doppelter Kraftanstrengung bedarf, dessen bin ich mir sicher. Ich wünsche allen MitarbeiterInnen von der Raumausstattungskosmetikerin bis zur Chefetage hoch, nicht zu vergessen die MitarbeiterInnen, welche im Ausland für die Berichterstattung zuständig sind (wohl der schwierigste Job): Macht weiter so!! Mit freundlichen Grüßen MICHAEL HAFNER

Lieber Leser,

vielen Dank für die aufmunternde Zuschrift. Natürlich haben Sie Recht, die Rettungskampagne kostet besondere Anstrengungen und viel Kraft. Energie und Zeit, die wir alle lieber in die Zeitung an sich stecken würden. Doch es geht um die Existenz der taz. Wir strengen uns lieber doppelt an als aufzugeben. Vielen Dank auch für das Lob der Auslandsberichterstattung, zeigt es doch, dass unser Engagement sich lohnt. Was redaktionelle Kosten angeht, investiert die Zeitung hier einen Bärenanteil. Und wird von rund dreißig MitarbeiterInnen in aller Welt mit Berichten versorgt. Bitte lesen Sie auch nebenstehenden Text unseres Auslandsredakteurs Dominic Johnson. Herzliche Grüße Petra Groll, peg@taz.de

Sie fragen sich, warum Sie so wenige Abonnenten finden. Haben Sie sich einmal mit der Frage auseinander gesetzt, warum Ihre Zeitung früher gelesen wurde und warum man dies heute tut (bzw. heute nicht mehr tut)?

Ich denke, früher waren Sie eine Zeitung, die von Querdenkern und von der jungen linken Opposition gelesen wurde. Heute vertreten Sie die politische Richtung der EHEMALS Oppositionellen und der EHEMALS unruhigen Jugend, wie Fischer, Schröder, Scharping. – Sie vertreten heute die Meinung des Establishments. – Ihre Konkurrenz ist damit die stinknormale bürgerliche Presse, sofern diese SPD-und nicht CDU-freundlich ist. Gegen diese wirtschaftliche und journalistische Übermacht werden Sie verlieren!

Presse kann nicht regierungsfreundlich sein und gleichzeitig oppositionell, das ist die Quadratur des Kreises! Im Gegenteil, eine oppositionelle junge Zeitung muss provozieren, extreme und radikale Meinungen vertreten bzw. mindestens diese wohlmeinend (!) bearbeiten – sie muss die alltäglichen, gesellschaftlich breit akzeptierten Lügen und Verdrängungen aufdecken, Stimme der vom Establishment geschmähten und heftig bekämpften (Quer-)Denker sein. Sie muss ganz bewusst gegen den Strom schwimmen, sich DER Personen und Meinungen annehmen, die in ihren eigenen Parteien und Organisationen heftig umstritten sind, eben Minderheitenmeinungen aufgreifen, egal wo. Sie muss heiße Eisen anpacken, sie regelrecht suchen, sie sollte unverschämt und respektlos sein, sie darf keine Berührungsängste haben und keine Angst vor schmutzigen Fingern.

Ich lese eben lieber Handelsblatt, die Welt, die Süddeutsche, die FAZ oder jede andere handwerklich gute Zeitung.

FAMILIE WIEGEL