Poker um Tag X

Proteste und Festnahmen vor AKW Philippsburg. Atomkraftgegner ziehen sich vorläufig zurück

FRANKFURT taz/afp ■ Die Polizei hat gestern eine Protestaktion vor dem baden-württembergischen Atomkraftwerk Philippsburg aufgelöst und rund 120 Atomkraftgegner in Gewahrsam genommen. Insgesamt blockierten rund 500 Atomkraftgegner am Morgen die Zufahrt zum Werksgleis zwischen Philippsburg und Rheinsheim; nachdem die Polizei sie von dort weggetragen hatte auch die Landstraße zum Kraftwerksgelände. Die Demonstranten protestierten mit den Blockaden gegen die geplante Wiederaufnahme der Atomtransporte zur französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague. Die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) angekündigten Transporte wurden verschoben, weil Greenpeace und Anwohner Widerspruch eingelegt hatten und Frankreich sich weigert, ohne eine Rückführgarantie deutschen Atommüll anzunehmen. Am Dienstag wurden die beiden Küchen des Aktivisten-Lagers beschlagnahmt, eine ist mittlerweile wieder frei. Ein Anwalt wurde eingeschaltet.

Der französische Premier Linonel Jospin, der am Wochenende das binationale Atomproblem gemeinsam mit Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) zur Chefsache erhoben hatte, soll eine schriftliche Garantieerklärung für die Rückführung des deutschen Atommülls im Frühjahr 2001 verlangt haben. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace befürchtet, dass Jospin die schnell erhalten werde; „oder vielleicht schon erhalten hat“, so Greenpeace-Atomexpertin Susanne Ochs. Wenn Jospin sich damit zufrieden gebe, sei der Weg nach La Hague doch schon früher wieder frei als zunächst angenommen: für die Castoren mit den Brennelementen. An den Erfolg der von Greenpeace mit organisierten Widersprüche gegen die Transportgenehmigungen durch das BfS glaubt Ochs offenbar selbst nicht so ganz. Das BfS prüft zwar noch die Widersprüche von Bürgern, die entlang der verschiedenen Transportrouten wohnen. Doch Greenpeace hat für den Fall der Ablehnung der Widersprüche schon einmal die Inanspruchnahme aller rechtlichen Mittel angekündigt; auch gegen die eventuell drohende Anordnung des Sofortvollzuges.

Auch der Sprecher der Initiative „X-tausendmal quer – überall“, Jochen Stay, kündigte weitere Widerstandsaktionen an: „Wir bleiben wachsam und werden bei einer Neuansetzung des Transports wieder vor Ort sein.“ Bis dahin wollen die Aktivisten ihre Präsenz vor Ort erst einmal zurückschrauben.

Aktionskonto: X-tausendmal quer, Konto 24422803, BLZ 258619, Volksbank Clenze

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT