Tschüss, Herr Präsident!

■ Heute endet Heinz Weiseners Amtszeit bei St. Pauli – dafür steht ein Vermarkter in den Startlöchern

Das hat Heinz Weisener nicht verdient. Jahrelang durchstand der Präsident des FC St. Pauli die durchweg turbulenten Jahreshauptversammlungen seines Vereins in gepflegten Räumlichkeiten wie dem Großen Saal der Handwerkskammer. Aber ausgerechnet seine Abschiedsvorstellung, sein letzter Auftritt als umumschränkter Herrscher über den Stadtteilklub, findet heute im Saal 2 des CCH statt. Dort überwiegt die kühle, an Magdeburger Plattenbauten gemahnende Sachlichkeit und verdrängt damit auch schon äußerlich die soignierte Hanseatigkeit, die Weisener immer ausgezeichnet hat.

Über zehn Jahre war der Architekt die Leit- und Respektfigur des FC St. Pauli und gleichzeitig gern gescholtenes Symbol für all die Unzulänglichkeiten, die den Millerntorverein seit langem prägen. Gemessen an den Fehlern, die der Mann in seiner Amtszeit gemacht hat, muss man sich wundern, dass die Mitglieder ihn nicht längst in die Wüste geschickt haben.

Da war zum Beispiel seine verfehlte Personalpolitik in den Führungsebenen des Vereins. Neben zehn Trainern verschliss Weisener vier Manager. Der Plan von 1993, durch eine FC St. Pauli Lizenz KG Kapital zu generieren, ging ebenfalls in die Hose. Nach einem Jahr kamen von den als Minimalziel deklarierten 8,75 Millionen Mark gerade einmal 300.000 zusammen. Die dann an die Anleger zurückgezahlt werden mussten. Vom Neubau des Stadions am Millerntor soll an dieser Stelle gar nicht die Rede sein.

Die Unerfahrenheit mit den Regularien des Fußballgeschäft taten ein Übriges, den Klub immer wieder in finanzielle Schwierigkeiten zu bringen. Wer alten Profis einen Rentenvertrag gibt, muss sich nicht wundern, wenn deren Leistung ganz plötzlich stark nachlässt. Dennoch unterschrieb El Presidente – und nicht nur er allein, sondern auch gestandene Finanzfachleute wie der ehemalige Vizepräsident Robert Ahrens – immer wieder Kontrakte, die den FC St. Pauli in die Bredouille brachten.

So musste Heinz Weisener den Verein mindestens drei Mal vor dem Konkurs bewahren, indem er mit seinem Privatvermögen einsprang. Insgesamt, so zumindest lautet die gängige Schätzung, soll Weisener 20 Millionen Mark in seine „Geliebte“, wie er den FC einmal nannte, gesteckt haben.

Ohne diese Finanzspritzen spielte der FC St. Pauli nicht mehr im Profifußball. Doch dass die Zeiten sich geändert haben, hat auch Weisener gemerkt, und überlässt die Führung des Vereins jetzt seinen jüngeren und hoffentlich fähigen Nachfolgern. Das Triumvirat, das nach dem heutigen Abend den Klub in die Zukunft führen soll, besteht aus Reenald Koch, Stephan Beutel und Christian Pothe.

Koch, der bislang als Weiseners Vize glänzte, ist ein Unternehmer mit Visionen, der den Anschluss an die Vermarktungsgesetze des Fußballs schaffen will. Stephan Beutel, bislang Leiter der Lizenzabteilung, soll weiterhin zusammen mit Trainer Dietmar Demuth für den sportlichen Bereich zuständig sein. Und auf den Juristen und ehemaligen Aufsichtsrat Pothe kommen eine Menge Aufgaben zu, von der Neufassung der Vereinssatzung bis hin zu den Verträgen mit einem potenziellen Vermarkter.

Mit dessen Hilfe soll auch die Generalquittung für Heinz Weisener präsentiert werden. Der scheidende Präsident soll mit fünf Millionen Mark ausgezahlt werden und damit auf alle weiteren Ansprüche gegenüber dem FC St. Pauli verzichten. Um dieses Kapital aufzubringen, soll mit einer Hamburger Vermarktungsfirma kooperiert werden. Dabei, so lässt sich leicht spekulieren, handelt es sich um die Agentur upsolut, die bislang vornehmlich mit der Organisation der Cyclassics in Erscheinung getreten ist. Deren Pressesprecher ist mit dem Klub vertraut: Christian Hinzpeter war einst als Nachfolger für Weisener im Gespräch.

So zieht heute die neue Sachlichkeit ein beim FC St. Pauli. Kandidat Koch hat, auch das ein Novum bei einer Mitgliederversammlung, auf seinem Laptop eine Power-Point-Präsentation vorbereitet, anhand derer er seine Ziele erläutern will. Die Wirtschaft löst den Kaufmann ab, zum Wohle des Vereins.

Eberhard Spohd

heute, 19 Uhr, CCH, Saal 2; in einer Sitzungspause werden Ausschnitte des heutigen Spiels Chemnitzer FC gegen FC St. Pauli übertragen. Vielleicht bereiten Meggle und Co. ihrem scheidenden Präsidenten einen netten Abschied.