Frauenfernsehenals Internet-TV

tm 3 will an die Spitze der Konvergenz-Bewegung. Dafür muss der Sender aber erst einmal Kirch-Tochter werden

MÜNCHEN taz ■ Das Fernsehen der Zukunft besteht aus maximal 15 Minuten langen Sendungen, die mehrmals am Tag wiederholt werden. Was fürs Nachrichtensender-Nachtprogramm schon lange gilt, soll beim Kleinsender tm 3 im nächsten Jahr auch am hellen Tag funktionieren, heißt es branchenintern. tm 3 bestätigt bisher nur, dass „deutlich kürzere Formate“ zum Bestandteil des „Versuchs, jüngere Zuschauergruppen anzusprechen“, gehören sollen. Sprich: Bevor die wegzappen können, ist die Sendung eh vorbei.

TV im Hintergrund

Fernsehen auf dem Weg zum Hintergrundmedium also, auch wenn die Unternehmenssprecherin das nicht so verstanden wissen will: Das letzte Wort zum neuen tm 3-Format sei ohnehin noch nicht gesprochen. Genauer mag auch tm 3-Geschäftsführer Marco Deutsch nicht werden.

Einiges erklärt sich immerhin von selbst: Ursprünglich wollte tm 3 anspruchsvolles „Fernsehen für Frauen“ machen. Diese Phase war eher schnell vorbei, das Programm verallgemeinerte, das Label blieb. Dank seines neuen Mitinhabers und Medientycoons Rupert Murdoch mutierte der Sender eine Champions-League-Saison dann zum Fußballfernsehen. Inzwischen gehört tm 3 zwar Murdoch allein, doch die Fußballrechte sind an Premiere World und und RTL weiterverkauft. Wenn das aktuelle Programm nicht gerade von den Medienanstalten für einen Transvestiten, der zu Kirchenmusik strippt, gerügt wird, kann man sich an der „Vorher-nachher-Show“ oder „Wrestling: SmackDown!“ erfreuen.

Zwar wird der Trash hier als etwas anderes verkauft – schon der Globus als Senderlogo vor den Werbepausen verspricht die weite Welt, die dann nicht geliefert wird. Mit den geheimnisvollen Plänen des Senders ist es ähnlich: Denn sosehr sich das Unternehmen auch ziert, in der Branche ist meist längst bekannt, was gespielt wird. So war’s bei der Mutation zum Fußball-TV, bei der Metamorphose zum Nicht-mehr-Fußball-TV und auch beim lang dementierten Ausstieg des Sendergründers Herbert Kloiber.

Und die Zukunft? Ende Juli beschrieb Deutsch der für tm 3 zuständigen Bayerischen Landeszentrale für neue Medien in einem Brief das neue Programm. Ab 11. November 2000 sollte tm 3 demnach „an der Spitze“ beim Zusammenwachsen von Internet und Fernsehen stehen. Das Programm werde „optisch wie eine Internetseite anmuten“, schrieb Deutsch. Und natürlich stehen an der Spitze der Spitze „Single-Shows“ und andere Spiele, die „dem Zeitgeist stärker angepasst sind“. Irgendwie sollen diese Shows dann internetkompatibel sein. Und natürlich kurz.

Ob sich tm 3 aber an der Spitze eines zeitgeistigen Zusammenwachsens von Internet und TV setzen kann? Bisher sitzt da jedenfalls der Nischensender NBC Giga – und das gar nicht schlecht. Werktags sendet er fünf Stunden lang eine Mischung aus Talk, Musikfernsehen und Show. Die virtuellen Chaträume zur Show und die Mails an die Giga-Moderatoren spielen dabei eine ebenso große Rolle wie das Programm selbst.

Über die konkrete Internetstrategie über den Deutsch-Brief hinaus geizt tm 3 zwar mit Informationen. Was bekannt ist, lässt an ein aufs Fernsehen übertragenes Webportal denken.

Reform verschoben

Und hier kommt die Kirch-Gruppe ins Spiel: Denn die große Reform vom 11. November ist gerade wieder verschoben worden – auf irgendwann Anfang nächsten Jahres. Warum, will tm 3 nicht sagen, doch schon im Juli war bekannt geworden, dass die Kirch-Gruppe den Einstieg bei tm 3 prüft. Schließlich sind Murdoch und Kirch schon Partner bei Premiere World. Und Kirch will und muss ins Internet investieren: Hier wird in wenigen Jahren die Übertragung bewegter Bilder in Fernsehqualität Standard sein. Das Medienunternehmen baut vor: 500 Millionen Mark darf die Konzerntochter Kirch New Media ausgeben, um eines der zehn stärksten Web-Portale Deutschlands aufzubauen. tm 3 kommt als strategische Investition also gerade recht.

Nur: Bisher sind solche Projekte nicht unbedingt erfolgversprechend. Microsoft etwa hat in den USA lediglich eine Million Abonnenten für seinen WebTV-Dienst gewonnen – trotz millionenschwerer Investitionen.

KONRAD LISCHKA