Die Bahn geht – zehn Werke werden geschlossen

Gewerkschaft sieht 5.000 Mitarbeiter betroffen. Mehdorn verteidigt das Konzept vor rund 2.000 Demonstranten auf dem Potsdamer Platz

BERLIN taz ■ Mit „Lügner“-Sprechchören haben gestern rund 2.000 seiner „lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ Bahnchef Hartmut Mehdorn auf dem Potsdamer Platz begrüßt. Die Bahn will zehn Produktions- und Instandhaltungswerke schließen, betroffen sind nach Unternehmensangaben rund 3.000 Beschäftigte, laut Eisenbahner-Gewerkschaft Transnet 5.000.

Sechs Standorte sollen nach Mehdorns Angaben bis Mitte 2001 geschlossen werden: in Halberstadt, Brandenburg, Dessau, München-Aubing, Vacha, und Blankenburg. „Diese Werke haben seit 1998 Verluste in Höhe von 145 Millionen Mark verursacht“, erklärte Wilfried Einwohlt, Bereichsleiter Spezialwerke. Ihre Produkte – von Gleisbaumechanik bis zu Schienenfahrzeugen – seien gleichwertig auf dem freien Markt zu bekommen.

Mehdorn sicherte gestern den Demonstranten zu, „gemeinsam mit den Gewerkschaften eine sozial verträgliche Lösung“ zu suchen, falls keine Investoren gefunden werden könnten. Er bekräftigte, dass es weiterhin keine betriebsbedingten Kündigungen bei der Bahn geben werde. Für die kommende Woche kündigte Mehdorn Verhandlungen mit der Gewerkschaft an.

Günter Ostermann, stellvertretender Transnet-Vorsitzender, kritisierte Mehdorns Stil: Die Beschäftigten hätten aus der Presse von den Plänen erfahren, nicht einmal die Leitung der betroffenen Werke sei informiert worden. Wie „gleichwertig“ die Produkte auf dem freien Markt seien, könne man an den Problemen mit der bei Adtranz gekauften Neigetechnik sehen.

Zudem will der Bahnvorstand Instandhaltungswerke in Stendal, München-Neuaubing, Leipzig-Engelsdorf und Neustrelitz schließen; an vier weiteren Standorten, Hannover, Limburg, Erfurt und Chemnitz, würden „größere Personalanpassungen durchgeführt“, wie das die Bahn umschreibt. „Wir brauchen neue Züge“, sagte Mehdorn. Und die benötigen nach Meinung des Bahnchefs „weniger Reparatur und Wartung“. Das sei die Realität, „die uns vom Markt aufgezwungen wird“, so Mehdorn.

Man könne Werke nicht Jahre herunterwirtschaften und dann deren mangelnde Rentabilität beklagen, so Gewerkschafter Ostermann. Die Schließungspläne müssten vom Tisch – andernfalls könne sich die Bahn auf einen „warmen Herbst“ einstellen, der „auch heiß werden könnte“. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel versicherte den Eisenbahnern die Solidarität der anderen Gewerkschaften: „Wir sind mit dem Herzen bei euch.“ THOMAS STROHM