Die NPD verbieten

Nein
Ein Verbot der NPD käme ehereiner Verschiebung des gesamt-gesellschaftlichen Problems von Rechtsextremismus und Gewalt gleich als seiner Lösung. Es wäredeshalb kontraproduktiv, meint Wolfgang Gessenharter.

Die gegenwärtig so dominante politische Diskussion über ein NPD-Verbot muss möglichst bald beendet werden. Sie wird nämlich zunehmend kontraproduktiv, weil durch sie die umfassendere Diskussion über den Rechtsextremismus und seine Verwurzelung bis in die Mitte der Gesellschaft hinein immer mehr in den Hintergrund gerät.

Keine Frage – ein rasches Verbot würde manches Ärgernis beseitigen: Polizisten müssten keine genehmigten NPD-Aufmärsche mehr schützen, Steuergelder würden nicht mehr an diese Organisation zum Beispiel als Wahlkampfkostenerstattung fließen.

Doch bis es zu einem Verbot kommt, wird wegen des – demokratisch wichtigen – Parteienprivilegs nach Art. 21,2 des Grundgesetzes noch viel Zeit vergehen, in der die NPD sich als verfolgte Unschuld präsentieren wird und öffentlich für sich höchst wirksam und dennoch kostenlos werben lassen kann. Ob sie dann tatsächlich vom Bundesverfassungsgericht verboten wird, steht in den Sternen.

Es hängt aber auch ganz irdisch mit der Qualität des Belastungsmaterials zusammen. Wenn man bedenkt, dass nach jüngsten Recherchen zweier Zeitungen die Zahl der durch Rechtsextreme verursachten Morde in den letzten zehn Jahren mehr als dreimal höher angesetzt werden muss, als es die staatlichen Fachbehörden ihrerseits recherchierten (93 anstatt 26 Tote), dann flößt das nicht gerade großes Vertrauen in das Datenmaterial ein, das dem Verfassungsgericht vorgelegt werden wird.

Andererseits zeigt sich schon jetzt, dass es völlig verfehlt wäre, die zahlenmäßig relativ kleine NPD (6.000 Mitglieder) allein für die vielen rechtsextremen Straftaten verantwortlich zu machen, die wir derzeit ständig zu beklagen haben: täglich zwei Gewalt- und 36 sonstige Straftaten. Insofern ist die Hoffnung des bayerischen CSU-Innenministers Beckstein, harter Befürworter des Verbots, völlig realitätswidrig, dass mit dem Verbot der NPD „Schluss mit dem braunen Spuk in der Öffentlichkeit“ wäre.

Denn die voraussichtlichen Auswirkungen dieses Verbots auf das gesamtgesellschaftliche Problem von Rechtsextremismus und Gewalt kämen eher einer Problemverschiebung als seiner Lösung gleich: Die Akteure tauchen unter oder finden sofort wieder in den bisher konkurrierenden Organisationen wie der DVU, den REPs etc. Platz oder aber sie gründen neue „Kameradschaften“ – auf jeden Fall werden sie weiter aktiv bleiben. Ebenso werden die Sympathisanten und potenziellen Wähler nicht plötzlich vom Erdboden verschwinden. Unbeeindruckt vom NPD-Verbot werden sie wie bisher auch ihre rechtsradikalen Einstellungen und Meinungen pflegen und weiterhin zumeist die etablierten demokratischen Parteien wählen. Becksteins Haltung ist jedoch weniger naiv, ja sogar nachvollziehbar von einem parteipolitischen Sichtwinkel her: Für eine rechtskonservative Partei ist die Diskussion um ihre Abgrenzung nach rechts verständlicherweise unangenehm. Bei einem laufenden Verbotsantrag kann man sich dieser öffentlichen Diskussion leicht entziehen mit dem Hinweis, man solle – bitteschön – nicht in ein laufendes juristisches Verfahren eingreifen. Das heißt: Für die dringend notwendige öffentliche Auseinandersetzung mit den Einstellungsmustern des auch und gerade in der Mitte unserer Gesellschaft vorhandenen beträchtlichen Radikalismusreservoirs ist also ein langwieriges Verbotsverfahren Gift.

Und ein Letztes: Ein Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht läuft Gefahr, auf das in Deutschland durchaus übliche Verfahren zurückzugreifen, politisch unangenehme und grundsätzlich strittige Probleme den Juristen zuzuschieben. Dabei gäbe es schon jetzt sehr viel mehr Möglichkeiten, den Wirkungsraum solcher Parteien wie der NPD staatlicher- und gesellschaftlicherseits mehr einzuengen, als dies bislang geschieht – doch das ist ein neues Kapitel.