Abschiebe-Halbgötter in weiß

Präsident der Hamburger Ärztekammer lehnt jeden Protest gegen medizinische Beihilfe zu Abschiebungen ab  ■ Von Elke Spanner

Ärztliches Handeln, so im Juni der Deutsche Ärztetag in Cottbus, „hat sich ausschließlich darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leben und Gesundheit abzuwenden“. Mit der Berufsethik sei deshalb eine Beteiligung an zwangsweisen Abschiebungen von Flüchtlingen nicht vereinbar. Dennoch schloss die Ausländerbehörde Arbeitsverträge mit zwei Medizinerinnen ab, die seither Atteste von reiseunfähigen Flüchtlingen überprüfen und Kranke im Flugzeug begleiten. Aus Sicht des Hamburger Arbeitskreises Asyl (AK Asyl) hat sich bestätigt, dass die Funktion dieser Medizinerinnen sei, die Abschiebung kranker Menschen abzusichern. Das widerspreche der ärztlichen Berufsethik, befand der AK Asyl und legte der Hamburger Ärztekammer eine Falldokumentation mit der Bitte um Intervention vor. Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery lehnt ab.

Obwohl in der Cottbuser Resolution die Flugbegleitung bei Abschiebungen als ethisch unverantwortlich aufgeführt wird, sieht Montgomery darin nun kein Problem: Die in der Ausländerbehörde tätigen Medizinerinnen hätten ihm versichert, Flüchtlinge nur dann im Flugzeug zu begleiten, wenn diese das ausdrücklich wünschen: „Mir ist kein Fall bekannt, in dem das gegen den Willen des Betroffenen durchgesetzt wurde.“

Dabei hat der Hamburger Senat solche Fälle eingeräumt: Am 25. Juli wurden fünf Menschen mit einer eigens gecharterten Privatmaschine abgeschoben, nachdem diese sich mehrfach gegen die gewaltsame Ausreise gewehrt hatten. An Bord befanden sich auch zwei Ärzte.

Dass die ÄrztInnen nicht unabhängig, sondern der Zielvorgabe der Ausländerbehörde verpflichtet sind, ergibt sich für den AK Asyl besonders deutlich aus dem Fall eines pakistanischen Ehepaares. Beide sind über 70 Jahre alt und „lebensgefährlich“ krank, wie ihre Internistin attestierte. Eine Amtsärztin des Bezirks Eimsbüttel hatte das im März bestätigt, auch eine der Ausländerbehörden-Ärztinnen bezeichnete die Abschiebung als „nicht verantwortbar“. Anstatt den beiden nun den Aufenhalt in Hamburg zu genehmigen, legte der Leiter der Abschiebeabteilung den Fall der zweiten dort eingesetzten Ärztin vor. Die beurteilte das pakistanische Ehepaar als „flugfähig“ und fragte in ihrem Vermerk: „Ist die BRD auch noch dafür verantwortlich, was mit den Leuten im Heimatland alles passieren kann?“

Erst nachdem die Ärztekammer sie zu dem Fall befragte, lehnte auch diese Ärztin als vierte Gutachterin die Abschiebung der todkranken Eheleute ab: „Zu diesem Ergebnis wird auch jeder Amtsarzt inzwischen kommen müssen.“ Der Vermerk, so Behördensprecher Norbert Smekal, sei „irrtümlich“ zur Akte genommen worden.

Jene Ärztin ist es auch, die es in einem anderen Fall als „verwunderlich“ bezeichnete, dass sich die psychische Erkrankung eines kriegstraumatisierten Bosniers nicht bessern soll, solange der Aufenthalt der Familie nicht befriedigend geklärt ist. Sie unterstellte einen „Krankheitsgewinn“. Für die Ärztekammer kein Grund zur Unruhe. Montgomery: „Die beiden helfen vielen Menschen.“