„Es dauerte lange. Sehr ...“

■ Wegen versuchter Vergewaltigung verurteilt das Amtsgericht einen Mann zu dreieinhalb Jahren Knast und 8.000 Mark Schmerzensgeld / Opfer war in Lebensgefahr

Eine Nacht im Juni. Eine Frau verlässt eine Kneipe. Ein Mann folgt ihr, packt sie von hinten, schleift sie mit sich zu einem nahe gelegenen Spielplatz, sagt: „Halt's Maul. Sonst mach' ich dich kalt.“ Und: „Ich hab' schon mal eine kalt gemacht.“ Er wirft sie zu Boden, zerrt ihr die enge Jeans vom Leib, den Slip gleich mit. Er würgt sie, so sehr, dass sie nur noch röchelt. Legt sich auf sie, fordert: „Steck' ihn rein.“ Sie klemmt die Oberschenkel zusammen, ganz fest, den Schwanz des Mannes dazwischen. Der Mann bewegt sich auf und ab. zehn Minuten dauert das, auch eine halbe Stunde vielleicht. Irgendwann ist er weg. Die Frau steht auf, rennt ohne Hose, ohne Slip, ohne Schuhe zum Polizeirevier auf der anderen Straßenseite. Polizisten machen sich auf die Suche nach dem Täter, nehmen ihn zwei Stunden später fest. Mit Gras und Erde an der Jacke, schwankend, mit offener Hose. Gestern wurde das Geschehen vorm Amtsgericht verhandelt.

Der Angeklagte erinnert sich an kaum etwas. An den Tag davor, ans Bier- und Weinbrandtrinken vor dem Supermarkt, an Frust über die Abwesenheit der Freundin, an erste Kneipenstationen des Abends. Dann nichts mehr. Die Erinnerung kommt wieder an einer Straßenbahnhaltestelle am frühen Morgen, irgendwann stehen zwei Polizisten vor ihm und nehmen ihn fest.

Die Frau, im Polizeideutsch „die Geschädigte“, erinnert sich sehr wohl. „Ich hab' versucht, um Hilfe zu rufen. Er hatte die Hand an meinem Hals. Ich soll die Schnauze halten. Ich hab' gedacht, meine letzte Stunde hat geschlagen.“ Er habe ihr die Hosen ausgezogen, „ich hab' die nicht freiwillig ausgezogen.“ Für einen Moment ist sie weg, „wie so'n schwarzes Loch.“ Dann liegt er auf ihr. „Es dauerte lange, sehr lange“, sagt sie, befragt nach dem Auf und Ab, das der Angeklagte für Geschlechtsverkehr hielt. Zwischendurch würgt er sie immer wieder, sie habe ihr Leben vor sich ablaufen sehen.

Das, bestätigt ein Arzt später neben Hämathomen, Bindehaut-Einblutungen, Hautabschürfungen, „entsteht nur dann, wenn jemand sich zwischen Leben und Tod befindet.“ Panoramaschau heißt dieses Phänomen. „Muss ich das so verstehen, dass eine reale Todesgefahr bestand?“, fragt der Richter. „Jawohl“, antwortet der Mediziner, „genau so.“

In den Tagen nach der Tat hat die Frau Halsschmerzen, Schmerzen in den Knien. Die Narben von den Abschürfungen hat sie neulich mit einer Peelingcreme versucht wegzumachen, aber sie sind noch da. In den Wochen danach schläft sie schlecht. Und tagsüber hat sie „das Gefühl, die Leute gucken einen an, als würden sie's wissen.“ Sie fühlt sich „ein bisschen eingeschüchtert.“ Auch in den Tagen vor dem Prozess leidet sie unter Einschlafstörungen, und mit dem alleine abends Weggehen ist es vorbei.

Ein DNA-Gutachten der Universität Hamburg bestätigt Spuren der Angeklagten-DNA an Kleidung und Körper des Opfers sowie DNA der Frau an Körper und Kleidung des Mannes.

Der Verteidiger des Angeklagten verweist auf den hohen Alkoholwert des Opfers nach der Tat – 2,7 Promille – und den hohen Wert seines Mandanten, 2,6 Promille. Der Anwalt bezweifelt das Geschehen nicht, wohl aber die Erinnerung der Frau, die möglicherweise intensiver als die Realität sei. Er bestreitet, dass sein Mandant die Gefahr für das Leben der Frau habe einschätzen können, als der sie würgte. Einen Antrag auf ein medizinisch-psychologisches Gutachten wegen „krankhafter seelischer Störung und tiefgreifender Bewusstseinsstörung“ zieht er auf Wunsch seines Mandanten zurück.

Der Richter verurteilt den Angeklagten zu drei Jahren und sechs Monaten Haft sowie zu 8.000 Mark Schmerzensgeld. sgi