Schmoren im eigenen Saft

Die heute beginnende World Series mit New York Yankees und New York Mets entscheidet vielleicht die Senatorenwahl, ob sie dem kränkelnden Baseball den nötigen Schub verleiht, wird bezweifelt

von MATTI LIESKE

„Ich habe das Gefühl, dass die Stadt in den nächsten zehn Tagen nicht dieselbe sein wird. Und einige Zeit danach vielleicht auch nicht“, sagt Yankees-Manager Joe Torre. New York fiebert der ersten „Subway Series“ seit 44 Jahren entgegen, in der die New York Yankees aus der Bronx und die New York Mets aus Queens den Champion der Major League Baseball ermitteln. 160-Dollar-Karten für die heute im Yankees Stadium mit der ersten von maximal sieben Partien beginnende World Series wechseln für tausend Dollar den Besitzer, und Baseball ist derzeit nahezu das einzige Gesprächsthema in der zweigeteilten Stadt.

Den größeren Teil stellen die Fans der traditionsreichenYankees, die den dritten Titel in Folge anstreben und schon 25-mal Champion waren, den kleineren die Anhänger der Mets, die erst zweimal triumphierten, aber wesentlich souveräner durch die Playoffs spazierten. „Die Yankees sind ganz klar das Team der Stadt“, räumt Mets-Outfielder Jay Payton ein, „aber dies ist unsere Chance, einen Platz auf dem Stadtplan zu bekommen.“

Auch die Prominenz der Stadt beteiligt sich munter am innerstädtischen Baseball-Schisma. Hardcore-Bürgermeister Rudolph Giuliani und Senatorenkandidatin Hillary Clinton sind eingeschworene Yankees-Fans, ihr Kontrahent Rick Lazio hält es logischerweise mit den Mets. Filmstar Billy Crystal beschwört die Zeit der letzten Subway Series herauf, als sein Team, die Yankees, 1956 gegen die Brooklyn Dodgers spielte: „Damals gab es drei Fernsehkanäle, heute schaut die ganze Welt zu.“

Genau das ist die Frage. Vielerorts wird bezweifelt, ob ein im eigenen Saft schmorender Big Apple das richtige Rezept ist, dem etwas siechen Baseball neuen Schwung zu verleihen. „Die haben sowieso schon ein Riesenego“, lästert ein Sportfan aus Des Moines über die New Yorker und glaubt: „Im Rest des Landes gibt es nicht viel Interesse an dieser Serie.“ Auch beim übertragenden Fernsehsender Fox grassiert die Furcht, dass die Einschaltquoten weiter schwinden. Das Halbfinale zwischen den Mets und St. Louis hatte die schlechtesten Ratings aller Zeiten, und auch die Serie zwischen den Yankees und Seattle schnitt kaum besser ab. Fox, das sich gerade für 2,5 Millarden Dollar die Playoff-Rechte der nächsten sechs Jahre gesichert hat, hofft dringlich auf eine spannende World Series über sieben Partien, sonst droht ein finanzielles Desaster. Schließlich wurden die Werbezeiten schon vor langer Zeit für rund 300.000 Dollar pro 30-Sekunden-Spot verkauft – mit garantierten Ratings.

Händeringend hofft man bei den Verantwortlichen der Major League Baseball und bei Fox auch darauf, dass sich jene Geschichten entwickeln, die einem Baseball-Finale die nötige Würze verleihen. Auch in dieser Hinsicht sieht es bisher eher mau aus. Von der giftigen Rivalität, die es seit der ersten Subway Series 1921 zwischen Giants und Yankees unter den New Yorker Klubs gab, ist diesmal nichts zu spüren. Die Spieler kennen sich und sind teilweise sogar befreundet. „Es ist tatsächlich so, dass wir ihr Team mögen“, sagt Todd Pratt, Reserve-Catcher der Mets. Lediglich Yankees-Pitcher Roger Clemens sorgte im Juli für einen Missklang, als er Mike Piazza einen Fastball auf den Helm donnerte. Die Mets verboten ihren Spielern daraufhin, gemeinsam mit den Yankees zum All-Star-Game nach Atlanta zu reisen. Ob das reicht, die Sportfans außerhalb der Stadt für das Queens-Bronx-Matchup zu begeistern, darf bezweifelt werden.