taztäglich umverteilen

taz-AbonnentInnen wählen zwischen drei Preisen. Wer mehr gibt, ermöglicht ein günstigeres Abo

Dass Solidarität beim Geldbeutel aufhöre, ist eine genau so weit verbreitete wie falsche Stammtischweisheit. Hier der Nachweis: taz-AbonnentInnen sind solidarisch, auch wenn’s was kostet.

Vor drei Monaten klärte die taz in einer Beilage über die bedenkliche Entwicklung der drei unterschiedlichen Preise für ein taz-Abo, kurz taz-Solidarpakt, auf. Seit Jahresbeginn 2000 war die Anzahl der Abos, für die der „Politische Preis“ gezahlt wurde, unter die für den „Ermäßigten Preis“ gerutscht, die Folge: eine finanzielle Schieflage.

Der taz-Solidarpakt war bereits 1993 eingeführt worden. Anders als branchenüblich gilt bei der taz die Ermäßigung nicht nur für StudentInnen. Ermäßigte Abos werden von LeserInnen mit finanziert, die sich den Politischen Preis leisten können. Angesichts der Schieflage wurde jetzt die Frage gestellt, ob die freie Preiswahl, weil nicht mehr zeitgemäß, aufzugeben sei. Die AbonnentInnen antworteten und handelten: Fast 2.000 schrieben uns, 95 Prozent davon forderten die Beibehaltung, 948 stellten seither auf eine höhere Preisgruppe um, im ersten Halbjahr waren es nur 103 gewesen.

Weshalb braucht die taz überhaupt Appelle an die Solidarität und macht nicht einfach wie jedes andere kleine und mittlere Unternehmen hinreichend gute Geschäfte? Es ist immer viel über den geeigneten Weg der taz zu einer wirtschaftlichen Auskömmlichkeit gerungen worden, eine Menge Ideen und Projekte wurden entworfen und verworfen. Es hätten auch andere Entscheidungen – etwa ein Verkauf der taz an Investoren – fallen können. Sind aber nicht.

Die Aufgabenstellung ist daher, Instrumente zu nutzen, die geeignet sind, den gewünschten Effekt zu erzielen, nämlich Vertriebserlöse zu realisieren, die die Kosten aufwiegen, und Auflagenzahlen zu erreichen, die der taz zu Bedeutung verhelfen und das nachgelagerte Anzeigengeschäft ankurbeln. Ein angemessenes Instrument dafür ist der Solidarpakt.

Steigende Auflagenzahlen werden nur erreichbar sein, wenn die taz erschwinglich auch für jene bleibt, für die sie sich besonders einsetzt: „Sie [. . .] artikuliert insbesondere die Stimmen, die gegenüber den politisch Mächtigen kein Gehör finden.“ (Redaktionsstatut der taz).

Der Solidarpakt der taz, dass jene, die es sich leisten können, jenen, die es sich aus welchen Gründen auch immer nicht leisten können, ein taz-Abo subventionieren, funktioniert nicht zuletzt deshalb, weil die taz-LeserInnen, mehr als andere, nicht einfach die Achseln zucken und unterschiedliche Einkommensverhältnisse als Nachbars Pech abtun. Und weil sie es der taz abnehmen, mit dem Solidarpakt nicht ein hemdsärmeliges Geschäft zu machen, sondern tatsächlich für eine Umverteilung im privaten Bereich und nicht durch den Staat zu sorgen.

Die Abo-Entwicklung dieses Jahres zeigt aber, dass es nur für zwei Sommerwochen gelang, den Level der Preiskurven umzukehren. Dann kam die Rettungskampagne „taz muss sein.“ und brachte rund 1.200 befristete Abos. 100 Mark für 12 Wochen taz entsprechen einem Abo zum ermäßigten Preis. Um die taz zu retten, greifen viele zum 100-Mark-Schein. Das stabilisiert die Auflage.

Zwei Aspekte verlangen besondere Aufmerksamkeit: Zum einen muss um die Legitimation für den Solidarpakt der taz stets weiter gerungen werden. Dazu müssen die LeserInnen wissen, wie dieser Solidarpakt funktioniert: dass nur so viele vom Ermäßigten Preis Gebrauch machen können, wie andere den Politischen Preis zahlen.

Zum anderen ist es zwar lebenswichtig für die taz, wenn LeserInnen, statt sie nur gelegentlich am Kiosk zu kaufen, die Zeitung nun, wenn auch nur befristet, im Abo beziehen. Aber die Gefahr lauert am Jahresende. Wenn die jetzt bestellten befristeten Abos nahezu gleichzeitig auslaufen. Es sieht nur so aus, als sei die taz gerade mal wieder über den Berg gekommen. Der liegt immer noch vor uns.

ANDREAS BULL