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von RINGEL, RÖNNEBURG, SOTSCHECK

Am Haupteingang der Frankfurter Buchmesse springt eine Frau im dunkelbraunen Kostüm in den Shuttle-Bus, der die Besucher herumfährt, und schnauzt den Fahrer an, er solle sie umgehend zum Haupteingang fahren. „Wir sind am Haupteingang“, erklärt der Fahrer. „Nein, sind wir nicht“, behauptet die Frau wutentbrannt. Seit Stunden schicke man sie hin und her, und sie wolle umgehend zu ihrem Mantel.

„Ich weiß doch nicht, wo Sie Ihren Mantel gelassen haben“, stöhnt der Fahrer. „Na, am Haupteingang“, brüllt die Frau mit knallroten Kopf. „Na, dann sind Sie hier ja richtig“, versucht der Schüttelbusfahrer sie zu beruhigen. „Nein“, beharrt die Frau. „es war eine große Halle mit einer Treppe.“ Es gebe auf dem Messegelände nur große Hallen mit Treppen, sagt der Fahrer, worauf die Frau den Bus unter Bierkutscherflüchen verlässt. Kaum ist sie weg, steckt eine junge Frau den Kopf herein und fragt: „Fahren Sie auch zum Hauptbahnhof?“ Der Busfahrer legt seinen Kopf schluchzend auf das Lenkrad und seufzt: „Ach, hätte ich doch einen anständigen Beruf erlernt.“

Einen anständigen Beruf erlernt hätte auch gern mancher Autor. Verlage und Verlagsleiter brauchen keine Autoren, es sei denn, um Bücher schreiben zu lassen. Wenn es bei der Buchmesse zu den verlagseigenen Festen geht, sind Autoren das Letzte, was Verlage brauchen. Früher war es am Freitagabend bei Reclam stets sehr schön, aber im Jahr 2000 werden empfindsame Autoren am Eingang gefragt, ob sie auf der Gästeliste stünden. Empfindsame Autoren drehen sofort auf den Hacken um und verlassen das Festgelände umgehend. Der Beginn des Untergangs des bislang seriösen Reclam Verlags. Bierkutscherflüche kommen empfindsamen Autoren dann nicht über die Lippen.

Auf der Komikzeichnerparty ist es schöner, aber kürzer. Als die durstigen Witzbildchenkonstrukteure an der winzigen Bar Nachschub ordern, kommt ein strenger Herr vom Ordnungsamt, schreibt einen Strafzettel und macht die Bar dicht, weil „die erforderliche Schanklizenz nicht vorliegt“. Unlizensierte Gelage werden in Frankfurt nicht geduldet. Wer hat da gepetzt? Der Verband drogenfreier Karikaturisten? The Church of Cointel (www.cointel.de)? Ein beleidigter digitaz-Leser („Wenn TOM essen muss, darf er dafür aber nichts trinken“)? Zeichner müssen trinken. Autoren müssen trinken. Sonst gibt es nicht nur ständig Ärger im Bus – auch die Anzahl der Bierkutscherflüche ist bekanntermaßen beschränkt.

Das wissen auch die Kollegen von Stroemfeld: Der Verlag mit dem Roten Stern wird in diesem Jahr 30. Wie immer liegt der Stroemfeld-Stand gegenüber des taz-Stands. Erstmals zeigte Verleger Klaus-Dieter Wolff seine Abwehrmaßnahmen gegen die Besuchertraube beim Wahrheit-Klubtreffen: Ein rotes Kästchen mit taz-Knöpfchen. Drückt Wolff auf die Tatze, klappt der Gang vor dem Stand hoch, und ein Wassergraben verhindert jeden Zutritt. Gleichzeitig rasselt ein Fallgitter zu Boden, und auf ausfahrenden Zinnen erscheinen kleine Krieger mit Armbrüsten, die den taz-Stand anvisieren. So lieben wir unsere Verleger.