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: Verrückte und Verschrobene

„Ganz normal ver-rückt? Wege aus der Psychiatrie“

(Sa, 19.20 Uhr, 3sat)

„Wir haben Angst vor Verrückten“, sagt die Stimme aus dem Off. „Und wir haben Angst um sie. So ist die Psychiatrie entstanden.“ Dass Verrückte die Realität ver-rückt, verschoben, einfach anders wahrnehmen, darum ging es in dem Dokumentarfilm von Elke Sasse. Die Filmemacherin hat nicht nur „Fälle“ bzw. Menschen, die Erfahrungen mit der Psychiatrie gemacht haben, porträtiert. Sondern vor allem versucht, ihre besondere Art der Wahrnehmung darzustellen.

Zum Beispiel Jana, die manchmal an extremer Reizüberflutung leidet, nach langen Phasen, in denen sie sich „ganz normal“ zurechtfindet, sich um Kind und Freund kümmert und versucht, mit möglichst wenig Psychopharmaka auszukommen. Wenn Jana sich, wie sie sagt, „total verpeilt“ fühlt, sind ihre Sinne unnatürlich geschärft: Sie kann sich nicht bewegen, bleibt stundenlang stehen, kann zeitweilig nicht sprechen, weil alles um sie herum extrem laut scheint und sie sich zur Beruhigung in sich zurückziehen muss. Sie fühlt dann, wie sie sich in der Umgebung auflöst – eine totale und beängstigende Isolation. Sasse versucht überzeugend, Janas Eindrücke mit Hilfe von Kameratricks, formal ungewöhnlichen Bildideen und Effekten sichtbar zu machen. Im Film erfährt man viel über die Isolation, in der sich die Betroffenen befinden, über die Scham, mit der sie ihr Verhalten „wie von außen“ betrachten, und die Hilflosigkeit, die sie empfinden, wenn sie sich den Ärzten mit ihren Medikamenten ausgeliefert fühlen.

Aber Sasse beschreibt vor allem auch alternative und integrative Psychiatrie-Ansätze: Die Pinel-Gesellschaft in Berlin zum Beispiel, benannt nach dem französischen Psychiater und Aufklärer Philippe Pinel, der im 18. Jahrhundert mit seinen modernen Ideen und Methoden die Behandlung psychisch kranker Menschen revolutionierte.

In Berlin betreibt die Gesellschaft unter anderem ein Café, in dem Menschen mit mentalen Schwankungen arbeiten, ein alternatives Projekt, um diesen Personen ein Leben außerhalb einer geschlossenen Anstalt, eine eigenverantwortliche Existenz zu ermöglichen – ein zukunftsweisender und wichtiger Weg aus der Psychiatrie. JZ