NACH DEM ENTZUG: CHRISTOPH DAUM SOLL BUNDESTRAINER WERDEN
: Jetzt erst recht

Heftiges Schneetreiben in deutschen Fußballstadien: Da verliert mancher die Orientierung. Unvorstellbar sei es, dass Christoph Daum Drogen genommen habe, wo er doch mit solcher Power arbeitete. Eben! Die Power kam offenbar nicht vom Müsliriegel oder aus der RWE-Steckdose.

Die Reaktionen auf Daums positive Haaranalyse sind erstaunlich homogen, schnell hat man sich auf die „menschlichen Tragödie“ verständigt. Und die Krokodilstränen kullern. So wird der Fall auf die individuelle Schiene gesetzt. Dabei sieht jeder, dass der Job im Wolfsrudel der obersten Fußballetage mörderisch ist: ein übermenschlicher Erfolgsdruck, die voyeuristisch-intrigante Medienmeute, das Ende jeder Privatheit und die öffentliche Hinrichtung nach spätestens drei Niederlagen.

Die Folgen sind jeden Samstag zu besichtigen: Wie entflohene Psychopathen hüpfen die Trainer schreiend und fuchtelnd die Linie entlang. Die Emotionen kochen, der Herzrhythmus steigt auf Kolibrifrequenz, und der Restverstand ist immer kurz vor der Verabschiedung. Wasserbüffel haben im Vietnamkrieg regelmäßig Mohnkapseln gefressen. Die Trainer in der Kampfzone Bundesliga saufen sich die Kutte ab wie Zebec und Lattek oder nehmen Kokain wie Christoph Daum. Die Pillenschachteln der Herren Lorant, Röber, Rehhagel, Sammer und Hitzfeld kennen wir nicht.

Die Enttarnung eines Koksers ist immer ein sozialer Testfall. Bei Konstantin Wecker hat ihn die Gesellschaft leidlich bestanden. Künstlern wird eher verziehen. Bei Daum fällt auf, dass ihn niemand mehr auf einem deutschen Trainerstuhl für möglich hält. Tenor: Er soll jetzt, zackzack!, seine Entziehungskur machen und dann ab in die Türkei! Alle wollen ihm helfen, aber keiner spricht es aus: Daum soll clean werden und danach – wenn er will! – Bundestrainer. Das wäre Menschenfreundlichkeit. Doch daran wagen Meyer-Vorfelder (dem Viertele nicht abhold) und Calmund (seine Süchte sind wirklich unübersehbar) nicht zu denken.

Christoph Daum war nie sonderlich sympathisch. Aber jetzt braucht er die Unterstützung des nachdenklichen Teils der Gesellschaft. Er muss Bundestrainer werden. Das Denken muss seine Richtung ändern! MANFRED KRIENER