DIE CDU STREITET WEITER ÜBER DIE EINWANDERUNG ALS WAHLKAMPFTHEMA
: Unprofessioneller Machtkampf

Wenn eine Partei in der Mitte einer Legislaturperiode erbittert darüber streitet, mit welchem Thema sie zwei Jahre später die Bundestagswahl gewinnen will, dann ist das entweder unprofessionell – oder es lässt Rückschlüsse auf verborgene Motive der Kontrahenten zu. Auf die Diskussion der Union über die Zuwanderung als mögliches Wahlkampfthema im Jahre 2002 trifft beides zu.

Vieles spricht dafür, dass Fraktionschef Merz mit seiner Anregung weniger den Wahlkampf als vielmehr die Meinungsführerschaft an den Stammtischen im Blick hatte. Er ist ja keineswegs mit politischen Inhalten konkret geworden, sondern hat nur räsoniert, man wolle sich nicht diktieren lassen, worüber man reden dürfe. Nun hat das überhaupt niemand versucht. Aber wer mit derlei Sentenzen um Beifall wirbt, lässt sich durch störende Tatsachen nicht aus dem Konzept bringen.

Merz dürfte auf laute, unsachliche Kritik aus dem Regierungslager gehofft haben. Die hätte seinen Äußerungen noch nachträglich das Gütesiegel der Berechtigung aufgedrückt. Aber die politischen Gegner haben der Versuchung klug widerstanden, ihm eine Bühne zu bauen. So konnte er nicht die Rolle des aufrechten Kämpfers für das freie Wort spielen, sondern musste sich stattdessen mit Angriffen aus den eigenen Reihen auseinander setzen. Dumm gelaufen. Wieder einmal.

Längst ist aus der Debatte über künftige Wahlkampfthemen eine Personaldiskussion geworden. Wenn die politischen Freunde eines Spitzenpolitikers unentwegt dessen Fähigkeiten rühmen und betonen, er sei wie kein anderer für sein Amt geeignet, dann ist meist sein Rücktritt nicht mehr fern. Am Wochenende ist Merz sehr oft gelobt worden. Er wird aber wohl trotzdem nicht zurücktreten. Es gibt niemanden, der ihn ersetzen könnte.

Angela Merkel hat selbst nicht genug Profil gewonnen. Wo Merz zu sehr polarisiert, bezieht sie zu wenig Stellung. Die interne Diskussion über die Zuwanderung hat sie jetzt als „etwas verwirrend“ bezeichnet und ihrer Partei empfohlen, sich auf eine gemeinsame Position zu verständigen. Das reicht nicht. Eine Parteivorsitzende kann Themen nicht nur moderieren, sondern sie muss den Kurs zumindest mitbestimmen. Merkel hat sich darum bisher nicht auf erkennbare Weise bemüht.

Friedrich Merz will nun morgen erst einmal seine Kritiker in der Fraktion zur Rede stellen. Da wäre man wirklich gerne dabei. Es ist eine ziemlich lustige Vorstellung, dass Merz alte Haudegen wie Volker Rühe oder Heiner Geißler abkanzelt. Fast könnte man Mitleid bekommen. Allerdings nicht mit Rühe oder Geißler. BETTINA GAUS