Neue Freunde für Nordkorea

Der dritte Asien-EU-Gipfel in Südkoreas Hauptstadt Seoul stand ganz im Zeichen der Annäherung auf der koreanischen Halbinsel. Politiker Westeuropas sehen beim Dialog mit ihren asiatischen Partnern über Menschenrechtsfragen Fortschritte

aus Seoul SVEN HANSEN

Gedrängt stehen mehrere dutzend Hundertschaften von Bereitschaftspolizisten in dunklen Kampfanzügen um das neue Kongresszentrum der südkoreanischen Hauptstadt. Mit ihren langen Knüppeln auf dem Rücken sehen die Uniformierten aus wie fernöstliche Schwertkämpfer. 30.000 Polizisten hat die Regierung zum Schutz des dritten Asien-EU-Gipfels (Asem) eingesetzt, dem größten internationalen Treffen in Korea seit den Olympischen Spielen. Wurde früher der massive Einsatz von Sicherheitskräften stets mit der Bedrohung durch den kommunistischen Norden begründet, so gelten nach den Protesten von Seattle und Prag die Sicherheitsmaßnahmen heute den Globalisierungsgegnern. Derweil fand der frühere „Schurkenstaat“ Nordkorea in Seoul unter den 26 Staats- und Regierungschefs samt Präsidenten der EU-Kommission viele neue Freunde.

Nordkorea prägte Asem, ohne in Seoul vertreten zu sein. Die Regierungen Großbritanniens, Deutschlands und Spaniens kündigten hier die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zum Regime in Pjöngjang an. Belgien und die Niederlande deuteten dies an. Beziehungen zum Norden sollen Südkoreas Präsidenten und frisch gekürten Friedensnobelpreisträger Kim Dae Jung in seiner „Sonnenscheinpolitik“ unterstützen, wie hier der Entspannungskurs genannt wird. Keinesfalls möchte Berlin die Normalisierung des Verhältnisses zu Pjöngjang als Akzeptanz von Menschenrechtsverletzungen verstanden wissen. Durch bilaterale Kontakte könnten Informationen und Meinungen ausgetauscht und ein Prozess in Gang gesetzt werden, der es leichter mache, Menschenrechte durchzusetzen, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Frankreich und Japan wollen vor einer Anerkennung Nordkoreas weitere Schritte Pjöngjangs sehen. Präsident Jacques Chirac fordert Verbesserungen bei den Menschenrechten, Tokio einen Stopp des nordkoreanischen Raketenprogramms sowie Aufklärung über entführte Japaner. Schröder warnte davor, die unterschiedlichen Positionen in der EU gegenüber Pjöngjang zu dramatisieren. Schon in der Vergangenheit seien sich die Europäer in dieser Frage nie einig gewesen, so der Kanzler. Bisher hatten nur Dänemark, Finnland, Schweden, Österreich und Portugal volle diplomatische Beziehungen mit Nordkorea. Zuletzt folgte im Januar Italien.

Einig waren sich die in Seoul versammelten Regierungschefs in der Unterstützung des Entspannungsprozesses in Korea und im Verhältnis zwischen Nordkorea und den USA. Heute reist US-Außenministerin Madeleine Albright nach Pjöngjang. Auf Druck Chinas verzichtet der Gipfel in seiner Seouler Friedenserklärung allerdings auf die Erwähnung nordkoreanischer Massenvernichtungswaffen.

Das aus den 15 EU-Staaten, sieben südostasiatischen Ländern sowie China, Japan und Südkorea bestehende Asem war als Gegengewicht zur asiatisch-pazifischen Wirtschaftszusammenarbeit (Apec) gegründet wurden. Entsprechend dominierten bei den Gipfeln in Bangkok 1996 und London 1998 wirtschaftliche Themen. In Seoul standen politische Fragen im Vordergrund: die Krisen auf dem Balkan, in Indonesien, Osttimor und dem Nahen Osten, die Stärkung der Vereinten Nationen, die Bekämpfung von Korruption, Geldwäsche und Menschenhandel, der Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen sowie die Informationstechnologie.

Asem ist kein Beschlussgremium, sondern ein Forum des Meinungsaustausches zwischen den Führern beider Regionen. Diese kamen mehrmals jeweils für über zwei Stunden zusammen. Dabei funktioniert der Dialog wie die in Asien verbreitete Golfdiplomatie, nur dass der Austausch im Saal stattfindet. Daneben gab es 69 bilaterale Treffen.

Asem ist als Prozess konzipiert, wobei Veränderungen erkennbar sind. So sagte Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel gegenüber der taz, dass mit asiatischen Politikern heute konstruktiver über Menschenrechte gesprochen werden könne als früher. Diesen Eindruck bestätigte auch der für Außenbeziehungen zuständige EU-Kommissar und frührere Hongkonger Gouverneur Chris Patten.

Südkoreas Regierung nutzte Asem zur Propaganda. Schon seit Wochen dominierte der Gipfel die Schlagzeilen. Entsprechend reizte er Globalisierungsgegner. Sie sehen Asem in einer Reihe mit der Welthandelsorganisation oder dem Internationalen Währungsfonds, auch wenn bei Asem die USA gerade nicht vertreten sind. Am Freitag vormittag kam es bei zwei Demonstrationen von Gewerkschaftern und Studenten zu Krawallen mit Verletzten. Nachmittags demonstrierten etwa 10.000 Globalisierungsgegner friedlich. Viele trugen Stirnbänder mit der Aufschrift: Gegen Neoliberalismus. Auf einer Konferenz hatten zuvor Nichtregierungsorganisationen die stärkere Einbeziehung der Zivilgesellschaften und sozialer Themen in den Asem-Prozess gefordet.