nebensachen aus bukarest
: Verkehrsregeln sind in Rumänien unwichtig

Mit Spanferkel zum Führerschein

Frau C. hatte einen Pkw der Marke Dacia geerbt, so benannt nach der Provinz, welche römische Legionen vor zweitausend Jahren auf dem Territorium Rumäniens eingerichtet hatten. Gegen die Römer hatten die Ureinwohner der Provinz, die Daker, lange gekämpft, waren dann aber gescheitert. Etwas Ähnliches galt auch für den Dacia von Frau C. Der Name des Autos sollte an die glorreiche Geschichte erinnern. In Wahrheit hätte der Wagen einem Kfz-Mechaniker zur Langzeitvorbereitung auf die Meisterprüfung dienen können. Doch davon ahnte Frau C. nichts, denn sie besaß keine Fahrerlaubnis.

Die beschloss sie zu machen. Die Theorie bestand sie. Während der ersten Fahrstunden erkannte sie jedoch, dass sie verloren war, wenn sie die Regeln einhielt. Das Wichtigste im Bukarester Verkehr war eine laute Hupe, die besonders da eingesetzt wurde, wo es überhaupt keinen Anlass zum Hupen gab. Vorfahrtsregeln zu beachten war eine Sache der Gefälligkeit, an Zebrastreifen musste Gas gegeben werden, Abbiegen und Überholen waren eine moderne Form des Duells.

Bis zur Prüfung hielt Frau C. dem Anpassungsdruck stand. Sie fuhr nach allen Regeln – und fiel durch. Das hatte aber nichts mit ihrer Prüfungsfahrt zu tun. Der prüfende Polizist hatte alle durchfallen lassen, die ohne Geschenke erschienen waren.

Zum Glück betrieb Frau C.s Vater Landwirtschaft. Auf Anraten ihres Fahrlehrers brachte sie zum nächsten Termin ein Spanferkel und Pflaumenschnaps mit. Dafür musste sie eine gerade, leere Straße bis zum Ende und zurück fahren.

Schnell stellte sie fest, dass ihr Dacia immer neue Probleme hatte. Mal sprang der Wagen an, mal nicht, bis ihr jemand erklärte, dass sie nach einer feuchten Nacht den Deckel des Verteilers abtrocknen müsse. Die Heizung und die Geschwindigkeitsanzeige schalteten sich nach dem Zufallsprinzip ein. An manchen Tagen kochte der Kühler, an anderen wurde das Wasser gar nicht warm. Nach kurzer Zeit kannte Frau C. alle Kfz-Mechaniker ihrer Gegend. Der Wagen bekam mehr Probleme, je öfter er in der Werkstatt war. Nach einer Überholung des Motors hatte ein Mechaniker vergessen, Getriebe und Motorblock zusammenzuschrauben, dann wechselte jemand die Bremsen falsch aus, sodass sie die Räder blockierten.

Immerhin, der Dacia fuhr auch noch, nachdem jemand Bremsflüssigkeit in den Kühler gekippt hatte. Einmal verbeulte Frau C. beim verbotenen Abbiegen einen westlichen Jeep. Ihr Dacia hatte nur Kratzer abbekommen. Ein Polizist wollte sie dafür mit einer Geldstrafe und zwei Monaten Entzug der Fahrerlaubnis belegen. Er verzichtete. Denn Frau C. steckte ihm die Hälfte der Geldstrafe zu und brachte eine Gans, Maismehl, Eier und Pflaumenschnaps aufs Revier. KENO VERSECK