Reich und rechts

Der hohe Ölpreis beschert Norwegen Milliarden. Sie werden auf die hohe Kante gelegt. Von dieser Sparsamkeit profitiert die rechte Fortschrittspartei

aus Oslo REINHARD WOLFF

Norwegen ist reich. Jetzt, da der Ölpreis immer noch auf Rekordhöhen steht, sprudeln Milliarden zusätzlicher Einnahmen in die Staatskasse. Nur ausgeben dürfen sie die Norweger nicht. Das Gesetz sieht vor, dass mit den Öleinnahmen Rücklagen geschaffen werden.

Das ist einer der Gründe, warum in Norwegen die rechtspopulistische Partei von Carl I. Hagen immer neue Anhänger gewinnt. Nach Meinungsumfragen würden 34 Prozent der WählerInnen für die Fortschrittspartei stimmen, nur 22 Prozent für die Sozialdemokraten. Bei Männern ist die Gruppierung etwas populärer als bei Frauen.

Die Fortschrittspartei hat die Sozialdemokraten auch als stärkste „Arbeiterpartei“ abgelöst: Für 39 Prozent aller Gewerkschaftsmitglieder ist die Fortschrittspartei erste Wahl. Nur für 33 Prozent bleibt die sozialdemokratische Arbeiterpartei ihre politische Heimat.

Die RechtspopulistInnen drehen traditionell die Mütze nach dem politischen Wind. Und der hat derzeit nicht viel mit Ausländerpolitik zu tun, einem früheren Lieblingsthema der fremdenfeindlichen Fortschrittspartei. Parteiführer Hagen kam zum Thema Ausländer in den letzten Monaten kein Wort über die Lippen. Das hat auch taktische Gründe: Koalitionsfähig kann die Partei nur werden, wenn sie sich von ihrer Ausländerhetze verabschiedet. Ein Regierungsbeteiligung scheint erstmals greifbar nahe: Nach den Meinungsumfragen fehlen der konservativen Partei „Höyre“ und der Fortschrittspartei nur ein Mandat für eine Mehrheit im Storting, dem norwegischen Parlament. Die nächsten Parlamentswahlen finden in einem Jahr statt.

Carl I. Hagen profitiert derzeit vom Unmut über den Sparkurs der norwegischen Regierung. Dabei ist das Land dank seiner Ölquellen reich. Der hohe Ölpreis lässt zusätzliche Milliarden in den Haushalt fließen. Allein im August flossen aus dem Ölgeschäft weitere 20 Milliarden Kronen ein. Nie war das Land reicher als jetzt: 300 Milliarden Kronen – umgerechnet 75 Milliarden Mark – liegen bereits im Sparschwein des Ölfonds. Hält sich das jetzige Preisniveau zwischen 25 und 30 Dollar pro Barrel, werden es in einigen Jahren 2.000 Milliarden Kronen sein, etwa 500 Milliarden Mark. Die aber werden, wie sonst auch, im „Ölfonds“ als Rücklage für künftige Rentenzahlungen und andere Sozialleistungen gebunkert. Norwegen will für die Zeit vorsorgen, wenn die Ölquellen in der Nordsee einmal versiegen. Außerdem soll die Inflation nicht angeheizt werden.

Vom Ölreichtum profitiert die Mehrheit der 4,5 Millionen NorwegerInnen also nur in Grenzen. Diese Grenzen will Hagens Fortschrittspartei erweitern und mit Sprüchen wie „Wir sind eines der reichsten Länder der Welt und sparen uns zu Tode!“ Stimmen scheffeln. Hagen will Steuern und Abgaben senken. Der europaweit höchste Spritpreis – die NorwegerInnen zahlen knapp 2,80 Mark pro Liter – müsse gesenkt werden. Auch die Vergnügungssteuern auf Alkohol und Tabak will er kappen. Dazu solle ein Teil der Ölmilliarden in Krankenhäuser, Schulen und Altersheime gesteckt werden.

In der Tat ist den Norwegern schwer zu vermitteln, warum mit dem Geld nicht wenigstens einige offensichtliche Mängel behoben werden können, wie die in der Gesundheits- und Altenfürsorge. Auch Nationalökonomen, die keine politische Sympathien für die Fortschrittspartei hegen, halten einige Zusatzmilliarden, die man im öffentlichen Sektor investiert, für verantwortbar und nicht inflationstreibend.

Doch die Regierung will den Deckel auf dem Öltopf lassen; schon um nicht Begehrlichkeiten zu wecken. Im übrigen ist sie dazu verpflichtet: Der Ölfonds darf ohne Gesetzesänderung nicht für laufende Ausgaben verwendet werden.

Als der sozialdemokratische Ministerpräsident Jens Stoltenberg Anfang Oktober dem Parlament den Staatshaushalt für das kommende Jahr vorlegte, wies dieser einen Überschuss von 192 Milliarden Kronen auf. Trotzdem glaubt die Regierung weder Raum für soziale Investitionen noch für Steuer- oder Abgabensenkungen zu haben. Im Gegenteil schlägt sie eine „Konjunkturabgabe“ der Arbeitgeber von 1,5 Prozent vor. Begründung: Die Volkswirtschaft laufe ansonsten Gefahr in einen Teufelskreis aus Überhitzung, Inflation und Zinserhöhung zu geraten.

Da Stoltenbergs Regierung über keine parlamentarische Mehrheit verfügt, kann er den Staatshaushalt nur durchbringen, wenn er Stimmen der Mitte- oder Rechtsparteien gewinnt. Die konservative Höyre hat bereits den Daumen gesenkt. Carl I. Hagen höhnte, der Budgetvorschlag sei ein„Rücktrittsgesuch der Regierung“.

Der Soziologe Trond Blindheim sieht in Norwegen eine generelle Werteverschiebung: „Die Sozialdemokraten stehen für kollektive Lösungen, die Fortschrittspartei für egoistische. Stoltenberg fährt Bus, Hagen Auto. Die Norweger sind materialistischer geworden, vor allem die junge Generation. Die wählt Hagen für seinen Egoismus, die Alten wegen der Fremdenfurcht und weil er ihnen Sicherheit verspricht. Eine perfekte Mischung. Ich würde mich keinesfalls wundern, wenn er nächstes Jahr in der Regierung sitzt.“