Nachgehakt
: Teure Kür vor angeblich unwichtiger Pflicht

■ Soll Mummert-Gutachten zu Sozialhilfe-Empfängern nur Maßnahmekatalog sein?

Knapp 200.000 Mark hat das Gutachten „Untersuchung der Gründe für die hohe Sozialhilfedichte und der Möglichkeiten einer Senkung“ der Hamburger Unternehmensberatung Mummert und Partner gekostet – und nun steckt es offenbar voller Fehler (die taz berichtete). Dass die Zahlen gar nicht so wichtig sind, vermutet der Sozialwissenschaftler Volker Busch-Geert-sema von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung.

taz: Was halten Sie von dem Gutachten?

Volker Busch-Geertsema: Die Gutachter hatten ja zwei Aufträge. Zum einen, die Sozialhilfedichte zu untersuchen, und zum anderen, nach Möglichkeiten zu suchen, wie die Dichte zu senken sei. Wie nun im ersten Teil die wesentlichen Zahlen abgeleitet werden, das ist wissenschaftlich unhaltbar. Zum Beispiel der Vergleich zwischen Essen und Bremen. Aus dem Vergleich der Sozialhilfedichte wurden Schlussfolgerungen abgeleitet, als seien alle anderen Faktoren in beiden Städten die gleichen. Was nicht der Fall ist: Bremen ist ein Stadtstaat, hat seinen Speckgürtel außerhalb der Stadtgrenzen.

Das heißt konkret für den Stadtstaat Bremen?

Das heißt, dass der Schwund an wohlhabenderen Leuten, die's raus ins Grüne zieht, im Stadtstaat Bremen ganz anders ins Gewicht fällt. In anderen Städten wird einfach eingemeindet, und schon ist die Sozialhilfedichte nicht mehr so hoch.

Was bedeuten diese Fehler für den Rest des Gutachtens?

Ich habe einen Einwand gegen die sehr optimistische Vorstellung des Gutachtens, was man in der Sozialhilfe alles sparen könnte. Ich halte das für übertrieben. Als ich jetzt gesehen habe, was für ein Zahlenmist in dem Gutachten steht, verfes-tigt sich bei mir der Eindruck, dass hier eine für unwichtig gehaltene Pflicht – die Tabellen mit den Vergleichen – vor der Kür, nämlich den zu ergreifenden Maßnahmen, steht.

Und ohne die Pflicht ist die Kür wertlos?

Nein. Dass die Leute aktiviert werden sollen, dass Selbsthilfepotenziale gestärkt werden sollen – daran ist gar nichts auszusetzen, sofern die Qualität der Angebote stimmt und es nicht auf reinen Zwang hinausläuft. Aber mein Eindruck ist, dass die ganzen Zahlenvergleiche nur die rhetorische Einleitung für das sind, was man eigentlich machen wollte: Bremen alles das vorzuschreiben, was Mummert und Partner im Bereich von Hilfen zur Arbeit für notwendig hält. Und dafür hätte man sich den ersten Teil wahrlich sparen können.

Fragen: Susanne Gieffers

P.S.: Wir haben da etwas zu berichtigen. Einen wirklichen Klops, gar gleich drei Klöpse. Oder vielmehr Nullen. Die fehlten nämlich in unserem gestrigen Artikel zum selben Thema („Fußen Adolfs Reformpläne auf falschen Zahlen?“). Die Brutto-Gesamtausgaben in Bremen für Sozialhilfe sind nicht, wie peinlichsterweise berichtet, 360.000 DM, sondern T DM, oder auch 360 Millionen Mark. Das Gleiche gilt für Essen, hier handelte es sich um 380 Millionen und nicht... Klöpse, Nullen, T's – Zeit, dass Wochenende wurde.