Kein Mann für die Hütchen

taz-Serie: Die Nebenbänkler, Folge 3. Eigentlich nicht die beste Reputation, der Trainer eines Fastabsteigers aus der Oberliga zu sein. Uwe Neuhaus führte der Weg von dort zu Borussia Dortmund

aus Dortmund BERND HUCK

„Ich bin loyal“, sagt Uwe Neuhaus und sieht dabei recht artig aus, „ich säge nicht am Stuhl meines Cheftrainers.“ Muss das einer sagen, der in zwei Jahren vier Cheftrainer hatte? Manche seiner Kollegen würden aus Solidarität nicht ins erste Glied rücken, wenn der Chefcoach gefeuert wird. Neuhaus schon, je nachdem. Es müsste sich halt ergeben.

In Hattingen nahe Bochum aufgewachsen, haben sich die Dinge für Uwe Neuhaus stets ergeben. Er beginnt mit 16 eine Lehre als Elektroanlageninstallateur im Walzwerk der Henrichshütte, ein Arbeiter in der Tradition des Vaters, der als Dreher schaffte, eine Ausbildung mit vermeintlich guter Zukunft, besonders in dieser Region am Rande des Ruhrpotts. „Das waren Drecksarbeiten, Knochenarbeit“, erinnert sich Neuhaus, „ich habe mit beiden Händen voll im Matsch gewühlt.“

Die Henrichshütte ist zu der Zeit der größte Arbeitgeber in Hattingen, später eines der Sinnbilder für den Strukturwandel längs der Ruhr, heute Teil des Westfälischen Industriemuseums. Kaum vorzustellen, dass Uwe Neuhaus ein Anführer der massiven Proteste gewesen wäre, als der Ofen 1987 aus war. So etwas ergibt sich nicht. Nach der Lehre geht er zur Bundeswehr. Vier Jahre lang repariert er Hubschrauber. Ist kurz davor, sich als Berufssoldat „Z-ewig“ zu verpflichten, versucht sich kurz im Knast als Justizvollzugsbeamter, doch dann zeigt sich eine Perspektive im Fußball. Über Hattingen, Winz-Baak, Remscheid, Erkenschwick, Essen und Remscheid kommt der Abwehrspieler Uwe Neuhaus endlich nach Wattenscheid, nach eigenen Angaben auf der BVB-Homepage ist er ein „richtiger Weltenbummler“, von der Kreisklasse stetig aufwärts bis in die Bundesliga.

Auch in der höchsten Spielklasse gibt Uwe Neuhaus nicht den extrovertierten Superstar, kickt an der Seite von Thorsten Fink oder Sammy Sane, die nach einem guten Spiel auch mal ihre Trikots über den Zaun zu den Fans werfen. Es hätte ihn nicht sonderlich gewundert, sagt er, wenn die Fans seines zurückgeworfen hätten. Er ist ein unauffälliger Profi, ein defensiver Spieler, deren Eigenart es oft ist, am besten zu sein, wenn sie kaum bemerkt werden. Ein stiller Typ, auch außerhalb des Platzes. Ein Beobachter.

Ausgerechnet sein letztes aktives Jahr endet mit dem größten Misserfolg, dem Abstieg der Wattenscheider aus der ersten Liga. Die kurze Arbeitslosigkeit bringt ihm mehr Zeit für die Familie, in der zwei Kinder heranwachsen. Aber er bleibt im Geschäft. Noch während seiner Zeit als Spieler übernimmt er ein Traineramt.

Er absolviert die Fußballlehrerausbildung, macht die notwendigen Trainerscheine und landet schließlich beim Oberligisten VfB Hüls. Die Saison 97/98 läuft nicht besonders, der Abstieg wird erst am letzten Spieltag vermieden. Am nächsten Tag beschäftigt er sich gerade mit den Planungen für die kommende Saison, als das Telefon klingelt. Michael Skibbe, Freund aus gemeinsamen Tagen an der Trainerschule in Köln, meldet sich und arrangiert ein Treffen.

„Da geht’s um eine Stelle im Jugendbereich“, denkt Neuhaus und ist erfreut. Doch als Präsident Dr. Gerd Niebaum zum Treffen erscheint, schwant ihm, dass es mehr sein könnte. Zwei Stunden später ist Neuhaus Co-Trainer von Borussia Dortmund. „Freude und Stolz“ habe er empfunden, sagt er mit fester Stimme. Es stört ihn nicht, der zweite Mann zu sein, einer, den man kaum wahrnimmt und dessen Verantwortung nach außen nicht sichtbar wird. „Das habe ich ja vorher gewusst“, sagt er leise. „Ich bin nicht der berühmte Hütchenaufsteller, der auch noch die Leibchen verteilt. Das ist für mich nicht gut genug. Für mich ist es eine Chance, vom Cheftrainer zu lernen.“

Davon hatte er in kurzer Zeit reichlich. Zuerst Skibbe, der ihn rief und den sie in Dortmund immer noch nicht mögen, trotz seiner Erfolge mit der Nationalelf. Dann der glück- und mutlose Bernd Krauss, danach Udo „Kaffee-mit-Schuss“ Lattek, der mit Matthias Sammer im Gespann als Retter auftat. „Unsere drei Trainer haben uns gut eingestellt“, wusste selbst Kapitän Stefan Reuter in dieser Zeit nicht ganz genau, wie die Rollenverteilung war.

„Vielleicht muss man auch der Typ sein, um mit so vielen Trainern zurechtzukommen“, grübelt Neuhaus. Eine Endstation soll die Position des zweiten Mannes dennoch nicht sein.„Ich weiß nicht, ob ich das ewig so machen möchte. Irgendwann will ich in die Verantwortung, mal sehen, in welchem Bereich. Je nachdem, was sich so ergibt.“

Bisher erschienen: Juri Schlünz (Hansa Rostock) am 5. Oktober, Michael Henke (Bayern München) am 10. Oktober