Kohle in Gefahr

EU-Kommission will deutsche Steinkohle-Beihilfen senken. Minister Müller fürchtet Aus für Ruhrkohle-AG

BRÜSSEL taz ■ „Straßburg – Treffen mit Loyola de Palacio“ steht für heute Nachmittag im Terminkalender von Werner Müller. Der parteilose deutsche Wirtschaftsminister hat sich in den vergangenen Tagen sehr um ein Treffen mit der für Energiefragen zuständigen Kommissarin bemüht. Er fürchtet „Unruhe im Revier“, weil die EU-Kommission den 1997 zwischen Bundesregierung und Bergbau ausgehandelten Kohlekompromiss nicht länger hinnehmen will.

Danach sollten die öffentlichen Subventionen für die Steinkohle von 9,25 Milliarden Mark 1998 auf 5,3 Milliarden im Jahr 2005 gesenkt werden. Schon 1999 hatte der Europäische Gerichtshof gefordert, die deutsche Kohle müsse billiger hergestellt werden, damit die Beihilfen schneller zurückgefahren werden könnten. Darauf beruft sich nun die EU-Kommission. Sie verlangt, dass die Bundesregierung wenigstens die staatlichen Mittel anders verteilt. Im laufenden Jahr werden 4,7 Milliarden Mark für den Abbau von Steinkohle und nur 2,3 Milliarden für Stilllegungsmaßnahmen ausgegeben. Die Kommission wäre laut de Palacios Sprecher Gilles Gantelet nur bereit, die staatliche Förderung weiter hinzunehmen, wenn das Verhältnis zwischen Stilllegungsmaßnahmen und Kohlesubventionen genau umgekehrt würde.

Tatsächlich beruft sich die Bundesregierung auf den Vertrauensschutz. Schließlich seien die Details des Kohlekompromisses seit Jahren in Brüssel bekannt. Müsste nun ein Teil der bereits ausgezahlten Subventionen zurückverlangt werden, könne das zum Konkurs der Ruhrkohle-AG führen, warnte der Wirtschaftsminister gestern. Seine Kollegen im Energieminister-Rat will Müller für die Idee eines „nationalen Energiesockels“ gewinnen. 10 Prozent des Primärenergieverbrauchs soll jedes Land nach eigenem Gusto fördern dürfen. Damit hätte die Bundesregierung nicht nur das Kohleproblem vom Hals. Auch bei den garantierten Mindestpreisen für Erneuerbare Energien dürfte sich die EU-Kommission nicht einmischen. Bis Müller seine Kollegen gewinnen kann, muss er weiter mit de Palacio diskutieren. Im November will die Kommission über die Kohlebeihilfen für 2000 entscheiden.

DANIELA WEINGÄRTNER