Streiten und regieren

Offenbar ist jetzt nach langem Gerangel über Ministerposten in Belgrad eine Einigung über eine Übergangsregierung erzielt worden

BELGRAD taz ■ Offenbar kommen die Serben doch noch zu einer Übergangsregierung. Nach mehrstündigen Verhandlungen zwischen Vertretern der Demokratischen Opposition Serbiens (DOS), der Sozialistischen Partei (SPS) und der serbischen Erneuerungsbewegung (SPO) von Vuk Drašković schien gestern eine Einigung über das Kabinett erreicht. Das Parlament, das in Belgrad zusammenkam, sollte die neue Regierungsmannschaft bis zum Abend absegnen. Zuvor hatte Vladan Batić, Chef der Christlich-Demokratischen Partei, dem Lokalsender B-92 gesagt, eine Bestätigung der Regierung stehe unmittelbar bevor, und Neuwahlen würden ausgeschrieben.

Streitpunkt waren auch gestern wieder Personalentscheidungen. So nominierte die SPS den bisherigen Wissenschaftsminister Branislav Ivković, den die DOS als „inakzeptabel“ bezeichnet, weil er nicht nur illegale Geschäfte betrieben, sondern auch Befehle erteilt habe, Studenten und Demonstranten zu verprügeln. Die Nominierung solcher Personen sei schlicht eine Behinderung der Demokratisierung, eine Beleidigung für die Bürger Serbiens, meinten einige DOS-Führer.

Der Generalsekretär der SPS, Zoran Andjelković, kritisierte, die DOS würde sich nicht an die vorherige Vereinbarung über die Bildung einer Übergangsregierung in Serbien halten. Man habe die Ressorts im voraus verteilt und nicht verabredet, gegenseitig die Minister zu benennen.

In der DOS ist man sich nicht einig über die Strategie der Verhandlungen mit der alten Nomenklatura. Den „Legalisten“ kommt es vor allem darauf an, den Machtwechsel im Rahmen des staatlichen Systems zu vollziehen, um dem „institutionalen Chaos“ im Lande rasch ein Ende zu setzen. Deshalb wollen sie die Vereinbarung mit der SPS nicht platzen lassen, nur weil ein Minister der Milošević-Gefolgschaft bis zu den Neuwahlen im Übergangskabinett sitzen würde. Es sei nicht wert, deswegen das Risiko neuer Proteste einzugehen, die in Unruhen enden könnten, weil derzeit niemand ein legales Kommando über Armee und Polizei hat, hieß es.

Die Vertreter der harten Linie in der DOS meinen, dass die „besiegte“ SPS kein Recht mehr habe, Bedingungen zu stellen. Die Wahlen würden stattfinden, wenn nicht legal, dann würde sie das „Volk legalisieren“, die Sozialisten wollten das „Rad der Geschichte zurückdrehen“, weil sie Angst hätten, im Gefängnis zu landen. ANDREJ IVANJI