Juniorprofs sollen die Lehrstühle stürmen ...

... aber ein Chor akademischer Bedenkenträger mäkelt an der geplanten „Juniorprofessur“ herum. Das Kernstück der Reform des hergebrachten Dienstrechts für Professoren geht vielen Amtsinhabern zu weit. Reformer befürchten, dass den Jung-Profs zu wenig Mittel zur Verfügung gestellt werden

von RALPH BOLLMANN

Jutta Allmendinger hat es vorgemacht. Nach ihrem Diplom in Mannheim absolvierte die Soziologin ein vierjähriges Master-Studium in Harvard, promovierte anschließend in nur zwei Jahren, kehrte 1988 nach Deutschland zurück – und erhielt nur vier Jahre später ihre erste Professur an der Münchner Universität. Da war sie gerade 36 Jahre alt.

Haben junge Wissenschaftler also auch im deutschen Hochschulsystem eine Chance, die entsprechende Zielstrebigkeit vorausgesetzt? Mitnichten. Hätte Allmendinger nicht die entscheidenden Jahre ihrer Karriere in den USA verbracht – sie hinge womöglich noch immer in der akademischen Warteschleife. Bis zum Alter von rund 40 Jahren sind Deutschlands Wissenschaftler im Schnitt damit beschäftigt, sich für eine spätere Berufung zum Professor überhaupt erst zu qualifizieren.

„Habilitation“ lautet das Codewort für diesen akademischen Sonderweg der Deutschen. Noch immer müssen zumindest Geistes- und Sozialwissenschaftler nach abgeschlossener Doktorarbeit sechs bis acht Jahre in die Produktion einer dickleibigen Forschungsarbeit investieren, die meist ungelesen in den Archivkellern der Universitäten verschwindet.

Provokante Thesen sind schon deshalb kaum zu erwarten, weil die emsigen Forscher in dieser Zeit von einem Professor abhängig bleiben. Selbständig werden sie erst, sobald sie eine Professur auf Lebenszeit erhalten – im Schnitt also mit Mitte vierzig, wenn ihrem Forscherdrang die Spitze längst gebrochen ist. Bis dahin gelten sie, obwohl oft schon ergraut, als unmündiger „Nachwuchs“.

Das ist ein Skandal – darin waren sich bislang alle einig. Seit aber Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) angekündigt hat, die Habilitation abzuschaffen und durch eine „Juniorprofessor“ zu ersetzen, schallt ein Chor der Bedenkenträger durchs Land: Den einen ist die Reform des althergebrachten Dienstrechts zu radikal, den anderen geht sie nicht weit genug.

Die Vertreter der Fundamentalopposition haben viel Einfluss, aber nur schwache Argumente. An der Speerspitze des Protests steht der Deutsche Hochschulverband, die Lobby der Professoren – jener Akademiker also, die die entbehrungsreiche Ochsentour der Habilitation hinter sich gebracht haben. Das Opfer soll nicht umsonst gewesen sein, von ihrem Einfluss auf den Nachwuchs wollen sie nichts preisgeben.

Auf der anderen Seite stehen jene, denen der Bruch mit deutschen Traditionen nicht radikal genug ist. Sie halten Bulmahn vor, dass ihre Reform auf halbem Wege zu einer frühen Selbständigkeit der Wissenschaftler stecken bleibe. So kritisiert der Vorsitzende des Wissenschaftsrats, Winfried Schulze, dass sich ein Juniorprofessor nach dem Ende seines sechsjährigen Vertrages wieder in die Bewerberschlange für rare Dauerstellen einreihen soll. Die Zukunftsaussichten bleiben so prekär wie beim herkömmlichen Assistenten. „Das schafft keine Berechenbarkeit“, sagt Schulze. Er empfiehlt einen „Tenure Track“ nach dem Vorbild amerikanischer Universitäten, wo Juniorprofessoren – bei entsprechender Leistung – übergangslos in eine feste Professur hinübergleiten können.

Ein weiteres Problem des Bulmahn-Modells, das auf die Vorschläge einer Expertengruppe um den Frankfurter Staatsrechtler Hans Meyer zurückgeht, sehen die Kritiker in der mangelnden Ausstattung der Juniorprofessoren mit Geld und Personal. Guido Lammers von der Deutschen Forschungsgemeinschaft warnt, das „Problem der ‚nackten‘ C3-Professuren“ drohe sich zu wiederholen: Die sozialliberale Hochschulreform hatte diese Professoren zweiter Klasse zwar formal aus ihrer Abhängigkeit von den Ordinarien befreit – doch ohne die Zuarbeit von Assistenten und Hilfskräften konnten sie ihren neuen Status kaum produktiv nutzen.

Auch finanzielle und bürokratische Hürden stehen der Neuerung noch im Wege. Zusätzliches Geld wollen die Länder auf keinen Fall locker machen. Dass den neuen Juniorprofessuren die alten Assistentenstellen weichen müssen, liegt zwar in der Natur der Sache. Weil aber die neuen Jobs höher dotiert sind, sinkt die Zahl der ohnehin knappen Nachwuchsstellen weiter. Hinzu kommt, dass ein Professor acht Stunden unterrichtet, ein Assistent aber nur vier Stunden. Weil der Personalbedarf an Deutschlands Hochschulen noch immer strikt nach den Lehrstunden berechnet wird, könnte das – bei gleich bleibender Studentenzahl – einen weiteren Stellenabbau bedeuten.

Da liegt der Gedanke nicht fern, das komplexe Regelwerk der kafkaesken Uni-Bürokratie gleich ganz über Bord zu werfen. „Die Zeit der isolierten Lösungen“, glaubt Wissenschaftsmanager Lammers, „ist vorbei.“ Da schwant manchem Beobachter schon, hier werde wieder einmal eine Innovation mit deutscher Gründlichkeit zu Grabe getragen: Wer alles auf einmal reformieren will, der wird am Ende gar nichts reformieren. Doch zumindest die Fachpolitiker scheinen sich diesmal einig zu sein: Auch die unionsregierten Länder erteilten vergangene Woche ihr prinzipielles Placet zu Juniorprofessur und Dienstrechtsreform.