Den Pummeln eine Chance

Sie tanzten für einen Abend – einen halben! Nüchterne Nachbetrachtungen zum 4:1-UEFA-Pokalspiel gegen KRC Genk  ■ aus dem Weserstadion Jochen Grabler

Na watt nu? War das jetzt ein ernsthaftes Fußballspiel? Respektive ein ernsthafter Gegner? Ist Werder nun auf dem Weg der Besserung? Oder war's nur Antalyaspor die Zwoote, und schon am Samstag gurkt sich die Mannschaft durch das nächste Liga-Spiel? Was in dem Fall heißt: Sie fängt sich eine ordentliche Klatsche ein, denn Samstag kommen die Bayern. 4:1 gegen Genk, na gut, und doch sind nach wie vor reichlich Fragen offen. Die man in eben der einen zusammenfassen kann: Na watt nu?

Der erste Jubel ist verflogen, alle höchst unterhaltsamen Geschichten und Geschichtchen sind erzählt – von der Roten für Ailton, von Herzogs Traumtor und Krstajics Slalomlauf vor dem 4:1 bis zu Pizarros Kunstschüssen entlang der Torlinie – nun ist Zeit für einen eher nüchternen Blick auf einen Pokalabend. Und dabei verwandelt sich jeder noch so unbeschwerte Jubel vom Dienstagabend ruck-zuck in eine bleischwere Ahnung. Die Ahnung, dass sie wieder mal nur für einen Abend tanzten – wenn man ehrlich ist, für einen halben.

Werder bestimmte beinahe komplett das Spiel, selbst mit zehn Mann ... Das ist richtig, aber! Aber: War dieses Team aus Genk wirklich ein ernst zu nehmender Gegner? Eben kaum! Gerade mal zehn Minuten dauerte die Phase, in der die Belgier das Spiel übernommen hatten. Zehn Minuten gegen Ende der ersten Halbzeit, in denen dann auch das höchst glückliche Gegentor fiel. Ein Abpraller aus der Abseitsposition, der dann auch noch gegeben wurde – mehr Dusel geht kaum. Die Bremer Stärke lebte doch sehr von der erschreckenden Schwäche des Gegners. Der konnte sich schon aus körperlichen Gründen kaum aus der eigenen Hälfte trauen. Und kann es auch kaum beim Rückspiel, obwohl er's da doch dringend müsste. „Wenn wir das Spiel machen, dann ist Platz, dann bekommen wir Probleme mit Herzog, Bode, Stalteri“, meinte Trainer Boskamp und legte die Stirn in Falten. „With the speed“ – und da hatte er zweifellos recht. Wenn selbst Alpinpummel Herzog mitsamt dem Spielgerät am Fuß gleich drei belgische Defensivkräfte hinter sich lassen kann, dann spricht das wohl für sich.

Werder hat endlich mal wieder Tore geschossen, gleich vier Stück ... Jaja, schon recht, aber! Aber: Tore aus Kombinationen, Tore als Resultat spielerischer Dominanz, Tore als Folge von Spielkultur, offensiver Übermacht fielen erst in der zweiten Halbzeit. Als der belgische Widerstand gebrochen und die Gegenwehr nicht mehr nennenswert war. Um noch nüchterner zu sein: Genau ein Tor fiel nach einem feinen Spielzug. Eines! Und zwar das letzte. Das 1:0 – fiel nach einer Ecke. Das 2:0 – eine schöne Einzelleistung Herzogs, allerdings nach einem katastrophalen Torwartfehler. Das 3:1 – wieder nach einer Ecke. Gibt es Grund, ein einziges wirklich herausgespieltes Tor zu feiern, während wieder mal vier, fünf allerbeste Chancen versemmelt wurden? Na eben!

Aber diese Chancen muss man sich auch erst mal erspielen, auch gegen einen nicht so starken Geg-ner ... Ist ja gut, stimmt, aber! Aber: Da war der ohnehin schwache Widerstand doch längst auch noch gebrochen. „Wir hatten beste Möglichkeiten, das Resultat zu halten“, ärgerte sich Boskamp nach dem Spiel. Heißt: Trotz der zahlenmäßigen Übermacht hatte er seine Spieler in der Halbzeit auf Ergebnissicherung getrimmt. Was ganz offensichtlich die falsche Taktik war, derart erkennbar vollhosig und bleibeinig waren die Belgier aus der Kabine zurückgekehrt. Eine ohnehin ziemlich schwache Mannschaft, die nun noch auch nicht mehr an sich selbst glaubte. Das war die Truppe, gegen die sich Werder das ausreichende Selbstvertrauen erspielte. Kurzum: ein Aufbaugegner. Und wenn man ehrlich ist: Eben doch nur Antalyaspor die Zweite.

Na watt nu? Nu kommen die Bayern. Und Werder ist immer noch auf Platz 15.