Hungerstreikende Häftlinge in Lebensgefahr

34 Tunesier protestieren seit zwei Monaten gegen unmenschliche Haftbedingungen. Einheimische Menschenrechtsgruppen schlagen Alarm

MADRID taz ■ Tunesische Menschenrechtsorganisationen schlagen Alarm. Ihren Angaben nach sind ein Dutzend politischer Gefangener vom Tod bedroht. Sie befinden sich seit knapp zwei Monaten im Hungerstreik. Insgesamt verweigern 34 Gefangene die Nahrungsaufnahme. Wie viele Häftlinge in den letzten Monaten an dem Protest teilgenommen haben, weiß keiner genau. Doch die beiden einheimischen Organisationen, der Rat für den Respekt der Freiheiten und die Menschenrechte (CRLDH) und der Nationale Rat für Freiheiten (CNLT) gehen von mehreren hundert Gefangenen aus. Amnesty international (ai) bestätigt diese Angaben.

Die meisten der über 1.000 politischen Häftlinge in Tunesien kommen aus dem Umfeld der Anfang der 90er-Jahre von Präsident Zine El Abidine Ben Ali verbotenen islamistischen Partei Annahda (Erneuerung). Sie fordern seit Jahren Verbesserungen der Haftbedingungen. Die Gefangenen sitzen in überbelegten Zellen, erhalten mangelhafte Ernährung und keine medizinische Versorgung. Schläge und Foltern sind nach Angaben der Menschenrechtsorgansiationen an der Tagesordnung. Kontakte zur Außenwelt, selbst Presse und Bücher, sind untersagt.

„Wir fordern die Menschenrechtsorganisationen weltweit auf, sich für die Häftlinge einzusetzen, bevor es zu spät ist“, heißt es in einem Kommunique von CNLT-Sprecher Moncef Marzouki. Am schlechtesten gehe es Abdeladif Bouhjila. Er verweigert seit 58 Tagen die Nahrungsaufnahme. Nach Angaben seiner Anwälte kann er nicht einmal mehr die Beine bewegen.

„Wir fordern erneut die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen in Tunesien und eine Generalamnestie“, erklärt CNLT-Sprecher Marzouki. In den vergangenen zwei Wochen wurde dem Arzt, dem seine Arbeit an der Uni entzogen wurde, mehrmals die Ausreise nach Europa verweigert. Er wollte unter anderem der Grünen-Fraktion im Europaparlament über die Lage der Hungerstreikenden berichten. Jetzt wurde gegen Marzouki gar ein Verfahren wegen „Verbreitung falscher Tatsachen“ und „Anstiftung zur öffentlichen Unruhe“ eröffnet. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. REINER WANDLER