Ölsucht ist auch von Städten heilbar

Cleverer Weg der Energieeinsparung bei Neubauten. Auch andere Konzepte auf Tagung zu Solararchitektur

BONN taz ■ Städte können nicht nur Hemmschuh, sondern auch Förderer von energiesparender Solararchitektur sein. Wie das gehen könnte, präsentierte Frank Meyer von der Stadtverwaltung Ulm auf einer Bonner Tagung zum Thema Solararchitektur anhand der Neubausiedlung „Im Sonnenfeld“.

Als Eigentümerin des Baugrundes für 104 Reihenhäuser hatte die Stadt per Kaufvertrag die Bauträger auf einen Energie sparenden Baustandard verpflichtet, der die gültige Wärmeschutzverordnung wie eine Aufforderung zum Verschwenden erscheinen läßt. Nach diesem Standard darf ein Haus mit 140 Quadratmetern einen jährlichen Heizwärmeverbrauch haben, der dem Energiegehalt von 210 Litern Heizöl entspricht. Konventionelle Häuser verbrauchen ein Mehrfaches.

Bauträger können den Einsparungsweg wählen

Franz Popp, Techniker der Stadtverwaltung, lässt keinen Raum für die Vorstellung, es müßte sich beim Ulmer Projekt um unbezahlbare, mit Technik vollgestopfte Versuchshäuser handeln: „Verkauft wird hier je nach Bauträger in der Spanne von 3.600 Mark bis 4.440 Mark pro Quadratmeter.“ Acht beteiligte Bauträger haben ganz unterschiedliche architektonische Wege gewählt, und alle Haustypen haben die von unabhängiger Seite vorgenommenen Tests bestanden.

Worin liegt die Besonderheit der Ulmer Häuser? „Nichts Sensationelles“, meint Popp, „Fenster, Wände und Dächer, alles hochwertige Ware und sauber zusammengefügt. Dazu kommen die geschickte Anordnung der Fenster und ein Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung.“ Ein wichtiges Detail ist, dass die dem Wohnraum zugeführte Frischluft zunächst durch in drei Metern Tiefe verlaufende Rohre strömt und so vorgewärmt wird. In dieser Tiefe herrscht eine Temperatur von konstant acht Grad. Die Restenergie stammt aus Solarkollektoren, Holzheizung oder Flüssiggaskesseln.

Das Ulmer Beispiel zeigt: Anstatt den Verbrauch durch staatliche Intervention wieder billiger zu machen, sollte Rot-Grün die Bauherren zur Entwöhnung vom Heizöl animieren. So wird das Protestpotenzial bei aktuellen und künftigen Preissteigerungen minimiert und etwas für das Erreichen der Klimaschutzziele getan.

Fußballtrainer gehört zu den ersten Hauskäufern

Einen Schritt weiter als Ulm ging das auf der gleichen Tagung präsentierte Bauprojekt „Solarsiedlung am Schlierberg“ in Freiburg. Die dort errichteten Häuser erzeugen mehr Energie, als ihre Bewohner insgesamt in Form von Strom und Wärme verbrauchen. Zu den ersten Hauskäufern gehört Volker Finke, der populäre Trainer des lokalen Bundesligisten.

Progressive Energiekonzepte lassen sich nicht nur im Wohnungsbau umsetzen. Andere Beispiele sind das in Realisierung befindliche Internationale Solar Center Berlin, wo die Haustechnik zum Ausstellungsbestandteil wird und einige Verwaltungsgebäude des Bundes in Berlin. Wege aus der bedenklichen Öl-sucht sind da – sie müssen nun konsequent gegangen werden.

CHRISTOPH HUTH

Der Tagungsband kann beim Veranstalter EUROSOLAR unter 02 28/36 23 73 bestellt werden (auch www.eurosolar.org).