Einigung bei Stromsiegeln

Die Vielzahl an Ökostrom-Labeln ist für viele Kunden noch immer abschreckend. Bei den zwei wichtigsten zeichnet sich Annäherung an: Öko-Institut und Grüner Strom Label ändern ihre Kriterien

Sechsmal mehr Kunden müssten Ökostrom beziehen, um Neubau zu erzwingen

von MATTHIAS URBACH

Was genau ist eigentlich Ökostrom? Diese Frage bewegt nicht nur unentschlossene Kunden, sondern auch die Zertifizierer. Seit Jahren streitet sich die Ökostrom-Branche über den richtigen Weg, arbeiten Öko-Institut und der Zusammenschluss von Umweltverbänden im Grüner Strom Label mit widersprechenden Gütesiegeln.

Doch nun einigten sich Öko-Institut und Grüner Strom Label auf eine gemeinsame Grundposition. Man wolle damit signalisieren, dass die Umweltverbände jetzt an einem Strang zögen, sagte Cristof Timpe, Leiter der Zertifizierung beim Öko-Institut, der taz. Gegenüber dem TÜV will man mit dieser Einigkeit nun härter vorgehen. „Der zertifiziert alles Mögliche als Ökostrom“, kritisiert auch Klaus Traube, Leiter der Zertifizierung beim Grünen Strom Label. Dies führt dazu, dass die Atomkonzerne Ökokunden locken können – ohne etwas für die Umwelt tun zu müssen.

Nun arbeiten beide an entsprechenden Kritierien: Das Öko-Institut, das sein Label künftig gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen und dem WWF unter dem Dachverein EnergieVision vergeben will, möchte Anfang November damit rauskommen. Grüner Strom Label, unter anderem von BUND und Nabu gegründet, will auf der Mitgliederversammlung am 24. November über neue Kriterien abstimmen.

Für die späte Einigung ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verantwortlich, das die Regierung im Frühjahr beschloss: Seit April garantiert es für Strom aus Wind, Biomasse, kleine Wasserkraftwerke – und in Verbindung mit dem 100.000-Dächer-Programm sogar aus Solarzellen – eine meist kostendeckende Vergütung. Wer solche Anlagen betreibt, muss seinen Strom nur ins Netz speisen, die Kosten werden auf alle deutschen Stromkunden umgelegt.

Bereits mehr als zwei Prozent des deutschen Stroms werden per EEG vergütet, sechs Prozent des Stroms kommt aus erneuerbaren Quellen, aber nicht mal ein Prozent des Stromverbrauchs wird von Ökostrom-Kunden bezogen. Erst wenn aber die Nachfrage größer ist als das Angebot, werden Ökostrombestellungen automatisch neue Windräder und Sonnendächer nach sich ziehen. Seriöse Anbieter von Ökostrom garantieren trotzdem schon jetzt, dass sie neue Anlagen für ihre Kunden bauen.

Dass das so sein muss, darüber sind sich alle einig. Die große Streitfrage, die die Umweltszene spaltete, aber war: Darf man das EEG dafür nutzen? Die Diskussion hat nun eine überraschende Wendung genommen: Öko-Institut und Grüner Strom Label einigten sich nämlich, dass man es nutzen muss. „Für Strom aus Regenerativen Anlagen, die vom EEG erfasst werden, ist die Einspeisevergütung nach EEG (mithin die Allgemeinheit) in Anspruch zu nehmen“, heißt es im gemeinsamen Papier.

Das Problem mit dem EEG wird klar an einem Beispiel. Wer etwa ein Windrad baut, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er verkauft den Strom an einen Ökostromhändler. Dessen Kunden zahlen dann voll für den teureren Ökostrom. Oder er lässt den Strom über die Netzbetreiber, also die Stromkonzerne, von der Allgemeinheit nach EEG vergüten. Für die Umwelt macht das keinen Unterschied – wohl aber für das Portemonnaie des umweltbewussten Kunden. „Es darf nicht sein, dass man bloß den Strom aus dem EEG herauskauft“, sagt Öko-Institutler Timpe, der auch Chef von Energievision ist. Damit adelt das Öko-Institut nun das Zuschussmodell, dem es bislang reserviert gegenüberstand. Im Zuschussmodell nutzt der Anbieter das EEG und legt einen Zuschuss des Ökostromkunden noch oben drauf: Damit fördert er Anlagen, für die trotz der hohen Vergütungssätze des EEG noch ein paar Pfennig pro Kilowattstunde zur Rendite fehlen.

Für Ökostromanbieter nach dem Händlermodell (auch Versorgermodell genannt) hat die Einigung harte Konsequenzen. Diese Anbieter verkaufen den Strom direkt an die Kunden und zahlen Durchleitungsgebühr an die Konzerne. Sie nutzen also das EEG nicht. Sie müssen, um eines der beiden Label zu bekommen, künftig in nennenswertem Umfang Anlagen unter Vertrag nehmen, die unters EEG fallen – also quasi das Zuschuss-Modell ohne Direktverkauf an Kunden adaptieren. Oder sie nutzen umweltfreundliche Energien, die nicht unter das Erneuerbare-Energien-Gesetz fallen. Das wären umstrittene große Wasserkraftwerke, die Beifeuerung von Biomasse in konventionellen Kraftwerken und die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Und die Förderung von KWK durch Ökostrom-Kunden könnte bald völlig sinnlos werden, so Klaus Traube – wenn nämlich die Regierung mit ihrem Förderprogramm für die KWK wirklich Ernst macht.