„Wir hatten keinen Einfluss“

Bei seiner Halbzeitbilanz arbeitet Joschka Fischer mal wieder das rot-grüne Drama um den Kosovokrieg auf. Bei der europäischen Integration beansprucht der grüne Außenminister zum Zorn der Union Helmut Kohls Lokomotiv-Funktion für sich

von PATRIK SCHWARZ

Und was, wenn Joschka Fischer nicht Außenminister geworden wäre? „Dann gäbe es diese Koalition nicht mehr“, sagt Joschka Fischer. Nur weil ein Grüner in die Verantwortung für den Kosovokrieg eingebunden gewesen sei, habe die Koalition die Zerreißprobe um den Waffengang überstanden. Bei seiner offiziellen Halbzeitbilanz als Außenminister hat Fischer einmal mehr demonstriert, dass nichts Männer so sehr prägt wie der Krieg.

In seiner ansonsten floskellastigen Pressekonferenz stellte er die Zeit des Balkankonflikts chronologisch an den Anfang und emotional in den Mittelpunkt. „Wir waren noch nicht im Amt, Gerhard Schröder und ich“, erinnert er sich an die Tage zwischen Bundestagswahl und Vereidigung, da „hatten wir bereits mit der Aufstellung zum Kosovokrieg zu tun.“

In der Rückschau ist er bemüht, den deutschen Beitrag zum Start des Bombardements herunterzuspielen und den zur Suche nach einem Friedensschluss hervorzuheben. „Wir hatten auf die Aufstellung kaum – oder im Klartext – keinen Einfluss“, sagt der Politiker über den Krieg, „den wir nicht verhindern konnten“. Dagegen sei es der Bundesregierung mit der Petersberger Vereinbarung sowie dem Kölner G-8-Gipfel gelungen, Russland bei den Friedensbemühungen ins Boot zu holen. Fischer lässt keinen Zweifel daran, dass es diesen Spielraum aus seiner Sicht nur gab dank „unserer verlässlichen Einbindung im Bündnis“ der Nato-Partner. Durch den Sturz des serbischen Diktators Milošević sieht der Außenminister seinen Kurs bestätigt: „Es sind letztendlich diese ganzen Ansätze aufgegangen.“

Die CDU hatte Fischer gestern vor allem in der Europapolitik angegriffen. Der frühere Verteidigungsminister und jetzige Fraktionsvize Volker Rühe beklagte, der „früheren Lokomotive Deutschland“ sei insbesondere bei der EU-Erweiterung „der Dampf ziemlich ausgegangen“. Zur Öffnung der Nato nach Osteuropa komme aus Furcht vor einer „Zerreißprobe für Rot-Grün“ überhaupt keine Initiative. Umgekehrt warf Fischer der Union „Sofortismus“ vor: „Alles gleichzeitig und sofort zu fordern, das kann man nur in der Opposition.“ Ausdrücklich beanspruchte Fischer auch für die rot-grüne Bundesregierung eine Lokomotiv-Funktion in der europäischen Integration.

Einen Bogen machte Fischer um die problematische, wenn auch vielleicht unausweichliche Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Menschenrechtspolitik. Erwähnt wurde lediglich die Bedeutung der Menschenrechte für den wirtschaftlichen Aufschwung gerade in Entwicklungsländern.

An Selbstkritik ließ es der Grüne völlig mangeln. Umso herzhafter haute er auf den Begriff „Leitkultur“ von Unions-Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) ein: „Zählt Entenhausen zur deutschen Leitkultur oder schon zur amerikanischen Überfremdung?“

Insgesamt war Fischers Zusammenfassung geprägt von der Rücksichtnahme auf die Sachzwänge seines Amts. Was fehlte? Zum Beispiel die Rüstungsexportpolitik, wo auch Rot-Grün nur zaghafte Schritte wagte. Zum Beispiel die mutigen, aber europaweit umstrittenen Sanktionen gegen Österreich. Erst auf Nachfrage schwingt Fischer sich auf, sie auf der Habenseite seiner ersten zwei Jahre im Amt zu verbuchen. Im Übrigen wolle er die Gelegenheit des österreichischen Nationalfeiertags nutzen, so der Minister, „der Republik Österreich zu ihrem Tag recht herzlich zu gratulieren“.