„Rote Brigade“ streckt die Waffen

Die Spaltung der Militärs besiegelte das Schicksal des Diktators. Am Schluss konnte Guei nur noch auf seine 500 Mann starke Präsidialgarde zählen

von DOMINIC JOHNSON

Keine 24 Stunden lang hielt der Versuch des Militärmachthabers der Elfenbeinküste, Brigadegeneral Robert Guei, sich trotz seiner Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen vom vergangenen Sonntag an der Macht zu halten. Die Flucht des Juntachefs samt Familie in ein anderes westafrikanisches Land (Benin oder Liberia), besiegelte gestern Nachmittag das Ende seines Militärregimes genau zehn Monate nach seinem Putsch zu Weihnachten 1999. Laurent Gbagbo, der Wahlsieger von der sozialistischen „Ivoirischen Volksfront“ (FPI), dankte der Bevölkerung für ihren „Widerstand“ gegen die Diktatur und begann, sich auf die offizielle Machtübernahme vorzubereiten.

Guei hatte am Sonntag versucht, sich mittels einer weltweit kritisierten Wahl, bei denen die meisten ernst zu nehmenden Politiker des Landes nicht kandidieren durften, vom Militärdiktator zum gewählten Präsidenten zu mausern. Die Wähler der Elfenbeinküste ergriffen die einzige Chance dies zu verhindern, indem sie mehrheitlich für den einzig bedeutenden Gegenkandidaten Laurent Gbagbo stimmten. Als Gbagbos Sieg immer klarer wurde, ließ sich Guei am Dienstagabend von seinem Innenminister zum Wahlsieger erklären. Die staatliche Wahlkommission wurde aufgelöst, über die Elfenbeinküste der Ausnahmezustand verhängt. Guei, behauptete der Innenminister, habe 52,72 Prozent der Stimmen erhalten gegen 41,02 für Laurent Gbagbo. Die eigentliche Stimmauszählung ergab bis gestern Früh, als sie zu etwa zwei Drittel fertig gestellt war, 64,53 Prozent für Gbagbo und nur 27,1 Prozent für Guei.

Gueis Staatsstreich versetzte die Elfenbeinküste in Aufruhr. Zehntausende Anhänger Gbagbos gingen in der Metropole Abidjan wütend auf die Straße. Die Armee eröffnete das Feuer und tötete mindestens neun Demonstranten. Wahlsieger Gbagbo tauchte unter und erklärte sich zum legitimen Präsidenten, während seine Partei zu weiteren Massenprotesten aufrief. „Wir wollen das Land lahm legen, solange Guei nicht nachgibt“, erklärte ein FPI-Sprecher.

Die Ankündigung einer Protestwelle nach jugoslawischem Muster versetzte das Land gestern in Bürgerkriegsstimmung. Mehrere Provinzstädte wurden von Protestierern lahm gelegt. In Abidjan wälzten sich gigantische Demonstrationszüge aus den FPI-Hochburgen in den Slums Richtung Stadtzentrum. Die Machtdemonstration der radikalen Opposition ließ das Guei-Regime zusammenschmelzen wie Butter in der Tropensonne. Gueis Informationsminister, Kapitän Henri Sama, erklärte zusammen mit einem weiteren Minister seinen Rücktritt und erkannte Gbagbo als Präsidenten an. Vor dem Fernsehgebäude solidarisierte sich die Polizei am späten Vormittag mit den Demonstranten. Sie drang in das Gebäude ein und verhaftete die wachhabenden Soldaten, die vor der jubelnden Menge mit erhobenen Händen abgeführt wurden.

Die Spaltung des Militärs besiegelte Gueis Schicksal. Während seines Putsches zu Weihnachten 1999 war Guei als Kompromisskandidat verschiedener politischer Linien in der Armee aufgetreten – aber am Schluss konnte der Juntachef nur noch auf seine Präsidialgarde zählen, eine 500 Mann starke Schlägertruppe mit dem Spitznamen „Rote Brigade“. Weite Teile der Streitkräfte hatten sich schon im Vorfeld von Gueis Putsch abgesetzt und arbeiteten im Untergrund. Die aktiven Soldaten stimmten nach FPI-Angaben am Sonntag mehrheitlich für Gbagbo. In der Elfenbeinküste sind große Teile des Militärs nicht kaserniert, sie leben normal in der Bevölkerung, und in Zeiten der politischen Blockade sehen sie sich als Interessenvertreter des Volkes. Das Bündnis zwischen handlungsbereiten Soldaten und gewaltbereiten Slumbewohnern lag bereits dem Putsch von 1999 zu Grunde.

Noch am Vormittag wehrte die Präsidialgarde den Angriff einer anderen Armeeeinheit auf ihr Hauptquartier erfolgreich ab. Aber als sich die Ereignisse überschlugen, streckte der Chef der „Roten Brigaden“, der gefürchtete Oberst Boka Yapi, gestern Mittag die Waffen, und Guei war am Ende. „Ich fordere alle Soldaten auf, in die Kasernen zurückzukehren“, so Yapi. „Ich will, dass das alles aufhört. Ich möchte keinen Bürgerkrieg auf dem Gewissen haben.“