Präriepriester in Adiletten

Dieses Jahr hat sich das Stadttheaterkarusell besonders stark gedreht. Jetzt gilt es für die neuen Teams, sich dem Publikum vorzustellen und neben Standards von Schiller bis Shakespeare auch Trendkost anzubieten. Aufgepopte Klassiker, Stücke in Schlaghosen und Trash-Theater sollen wieder junges Publikum an die Häuser binden. Die Schwierigkeit dabei: Es gibt keine erkennbaren Trends mehr – „In ist out“, wie es Bret Easton Ellis formuliert.

Trotzdem kündigt sich die Gruppe Mass & Fieber als Trash-Theater an. Dabei ist die Bezeichnung in Zeiten ökonomischer Engpässe fragwürdig: Meist handelt es sich dabei um eine vorauseilende Entschuldigung a la „wir können es eben nicht besser“, und zudem ist Trash zu einem biederen Markenzeichen verkommen. Heute bedeutet Trash „so schlecht, dass es schon wieder gut ist“. Nach ein paar Bier werden Schlager und Aktenzeichen XY plötzlich zu Stimmungsbeschleunigern. Trash und Retro sind Vorwände dafür, das Häusliche und die Steifheit der Elterngeneration und der geschützten Kindheit nos-talgisch aufzuwerten. Wenn schon keine Trends oder „Leitkulturen“ auszumachen sind, so gibt es immer noch die Flucht nach hinten.

In ihrem Stück Präriepriester erwacht der Werbetexter Jaques Rockford plötzlich im Wilden Westen. Der Western ist das Märchen von der Unvergesslichkeit von Träumen, eine Erzählung von der Menschwerdung verlorener Individuen, von der Verbürgerlichung einer Gesellschaft. Gesehen wird er rückwärtsgewandt: Der Bürger träumt sich in eine Gesellschaft, die noch als Zusammenschluss freier Geister funktionierte. Autorität existiert nicht als funktionelle, sondern als mythologische Größe, der Western-Held widersetzt sich der Rationalisierung: ein utopischer Ansatz mit reaktionären Folgen.

Auf die Bühne gebracht wird dieser Mythenmix von Mass & Fieber mit Hilfe von Video-Schnipseln, abgefilmten Staubstraßen und Country-Musik. Slapstick-Szenen und Livesynchronisationen erklären dem geduzten Publikum, dass es hier locker zugeht. Retro und Trash eben. – In den 80ern war Trash eine Methode für junge Bands und Künstler, mit ihren bescheidenen Budgets auf höchstem Niveau zu scheitern. Das kehrt sich aber – wie die Inszenierung Präriepriester zeigt – nicht automatisch ins Gegenteil, wird lässig und toll, wenn ausgebildete Schauspieler absichtlich schlecht spielen. Nikola Duric

Weitere Vorstellungen: 27. - 29.10. + 1. - 4.11., jeweils 19.30 Uhr, Kampnagel