Stattauto an die Wand gefahren

Deutschlands erste Carsharing-Firma steht vor der Pleite. Kunden sollen auf eingezahltes Geld verzichten, um Alternativbetrieb vor dem Konkurs zu bewahren. Die Ursachen sind Missmanagement, Selbstüberschätzung und gestiegene Benzinpreise

von RICHARD ROTHER

Der Brief, den Stattauto derzeit an sein Kunden verschickt, könnte dramatischer nicht sein. Massive Verluste seit 1998 hätten das Eigenkapital der Stattauto AG verzehrt und bedrohten nun akut den Fortbestand der Firma, heißt es darin. Und: „Ohne die Hilfe von Ihnen ist Stattauto existenziell gefährdet.“ Die alternativen Autoverleiher fordern nun ihre rund 5.000 Kunden in Berlin auf, auf ihre Einlagen ganz oder teilweise zu verzichten. Zudem der Appell: „Kündigen Sie bitte nicht, damit wir nicht zahlungsunfähig werden.“

Mit Stattauto begann vor mehr als zehn Jahren die Geschichte des Carsharings in Deutschland. Die Idee: Mehrere Nutzer teilen sich ein Auto – das spart den Fahrern Anschaffungs- und Fixkosten und entlastet zudem die Umwelt, weil weniger Autos produziert werden. Der Pkw eines Durschschnittshaushalts steht schließlich 23 Stunden am Tag nutzlos herum. 240 Wagen stellt Stattauto derzeit an 54 Stationen in Berlin zur Verfügung. Wer als Kunde einen Pkw braucht, kann 24 Stunden am Tag anrufen und sich innerhalb kürzester Zeit das Fahrzeug abholen.

Damit könnte es bald vorbei sein. „Die Lage ist äußerst ernst“, sagte gestern Stattauto-Finanzvorstand Markus Petersen. Bis zum 8. November sollen die Kunden zusammen auf Einlagen in Höhe von einer Million Mark verzichten. Damit sollen die Verluste bilanztechnisch abgedeckt werden. Kommt das Geld nicht zusammen, steht der Gang zum Konkursrichter unmittelbar bevor. Ein Symbol-Unternehmen alternativer Verkehrspolitik würde verschwinden. Petersen: „Wir haben das Carsharing in Deutschland entwickelt und Nachahmer gefunden.“ Sein Bruder und Firmenmitgründer Carsten Petersen hat dafür sogar den Preis „Ökomanager des Jahres 1999“ erhalten.

Der Titel schützte offenbar nicht vor Fehlentscheidungen. Die Entwicklung von Stattauto als Aktiengesellschaft sei eine Selbstüberschätzung und ein schwerer Managementfehler gewesen, räumt die Firma in ihrem Schreiben an die Kunden ein. Stattauto sei nicht in Schwierigkeiten, weil es keine neuen Kunden gebe oder Carsharing nicht funktioniere, sondern weil man seit 1999 nichts über die galoppierenden Kosten gewusst habe. Controlling – offenbar ein Fremdwort. Carsten Petersen ist mittlerweile als Vorstand zurückgetreten.

Stattauto leidet zudem unter angespannten Marktbedingungen: hohe Benzinpreise führen zu höheren Kosten, niedrige Gebrauchtwagenpreise zu Einnahmeverlusten. Außerdem fahren die Kunden weniger Auto. Hauptproblem aber sei die Explosion der Personalkosten, so Petersen. Zu viele Mitarbeiter seien eingestellt worden. 25 Beschäftigte arbeiten zurzeit am Hauptsitz in Berlin, kleinere Filialen sind in Hamburg und Rostock.

Kommt es zur Pleite, wird eine Idee wohl nie verwirklicht. Ein Stattauto-Tochterunternehmen hat sich nämlich eine lukrative Ergänzung des Carsharing-Modells ausgedacht: Cash Car. Damit können Berufs- und Freizeitfahrerbedürfnisse kombiniert werden. (Firmen-)Nutzer leasen ein Auto beispielsweise von Montag bis Freitag. Am Wochenende stellen sie den Wagen dem Stattauto-Pool zur Verfügung. Der Vorteil: Die Leasingrate ist geringer als üblich, und Stattauto hat am nachfragestarken Wochenende genügend Wagen.