Bald Grenzen auf für Ökostrom?

Europäischer Gerichtshof: Das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz ist keine unerlaubte Beihilfe, verstößt aber gegen den freien Handel

FREIBURG taz ■ Der Streit um das deutsche Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG) hat eine überraschende Wende genommen. In einem Verfahren zur Vorgängerregelung, dem Stromeinspeisegesetz, hat jetzt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Francis Jacobs, klargestellt, dass er in dieser Regelung keine unzulässige Beihilfe sieht. Dagegen könnten die deutschen Stromversorger bald verpflichtet sein, auch Ökostrom aus den anderen EU-Ländern aufzukaufen. Bisher müssen sie nur deutschen Alternativstrom zu Mindestpreisen in ihr Netz einspeisen.

Das Stromeinspeisegesetz besteht in Deutschland bereits seit 1990. Als Folge dieser Regelung stieg insbesondere die Zahl der Windkraftanlagen in Deutschland massiv an.

Die konventionellen Energieunternehmen gingen bisher auf zwei Wegen gegen die Regelung vor. Zum einen brachten sie die EU-Kommission 1996 dazu, Ermittlungen aufzunehmen, ob das Stromeinspeisungsgesetz eine nach EU-Recht unzulässige Beihilfe darstellt. Auch die unter Rot-Grün stark verbesserte Nachfolgeregelung, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, wurde von Brüssel bereits in Frage gestellt. Allerdings rechnet niemand ernsthaft mit einem Vertragsverletzungsverfahren, da die EU-Kommission inzwischen selbst das Ziel ausgegeben hat, den Anteil der regenerativen Energien europaweit zu verdoppeln.

Umso größere Bedeutung hatte deshalb die zweite Strategie der Stromversorger. Mit einem konstruierten Rechtsstreit zwischen zwei Unternehmen, der Schleswag und ihrer Muttergesellschaft PreussenElektra (heute Eon), trugen sie das Verfahren selbst zum Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg. Gestern hat nun Generalanwalt Jacobs seinen Schlussantrag vorgestellt, und er fiel für die Unternehmen denkbar ungünstig aus. Nach Jacobs’ Auffassung stellen die Regelungen im Stromeinspeisegesetz eindeutig keine genehmigungspflichtige Beihilfe dar. Nur „Vorteile, die unmittelbar oder mittelbar aus staatlichen Mitteln gewährt werden“, können als „staatliche Beihilfe“ im Sinne des EG-Vertrages angesehen werden. Nach dem deutschen Gesetz würden jedoch die Kosten der Regelung von den Energieversorgern und damit aus privaten Mitteln getragen.

In der Regel folgt der EuGH den Empfehlungen seiner Generalanwälte. Überraschend hat Jacobs nun aber einen anderen Kritikpunkt an der deutschen Rechtslage gefunden, der den Stromversorgern gar nicht schmecken dürfte. Stromeinspeisegesetz wie auch EEG garantieren nämlich nur deutschen Stromversorgern eine Mindestvergütung. In dieser Vorzugsregelung sieht Jacobs eine nicht zu rechtfertigende Behinderung des freien Warenverkehrs. Auch Umweltschutz-Gesichtspunkte könnten diese Bevorzugung des nationalen Ökostroms nicht rechtfertigen, argumentiert Jacobs. Für die Umwelt sei es schließlich auch gut, wenn Ökostrom in Dänemark gefördert werde.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Klaus Müller (Grüne) wies allerdings darauf hin, dass es in Ländern mit starker Windkrafterzeugung wie Dänemark und Spanien ähnliche Gesetze gebe wie in Deutschland. Demgegenüber hält die Schleswag AG massiven Windstromexport nach Deutschland für möglich. „Der deutsche Mindestpreis ist einfach am höchsten“, betont ihr Justitiar Wilhelm Eggert.

Nach dem EEG würden die Mehrbelastungen allerdings auf alle Stromversorger gleichmäßig verteilt. Im Bundesumweltministerium glaubt man ohnehin, dass der EuGH seinem Generalanwalt in diesem Punkt nicht – wie sonst meist üblich – folgen wird. Tatsächlich hat Jacobs selbst eingeräumt, dass sein Einwand in der bisherigen Auseinandersetzung noch gar keine Rolle spielte und daher eigentlich eine neue Verhandlung des EuGH sinnvoll wäre. Das Urteil aus Luxemburg wird auf jeden Fall erst zu Beginn des nächsten Jahres erwartet. CHRISTIAN RATH