Grüne Kritik an der „Ersatzdebatte“

Trotz verschiedener Meinungen: Grüne monieren, dass über das Verbot, nicht über die NPD geredet wird

BERLIN taz ■ „Wir streiten uns da schon länger drüber.“ Bei Annelie Buntenbach klingt Verwunderung durch, denn an Streit mit ihrem Kollegen Christian Ströbele ist sie nicht gewöhnt. Die beiden grünen Bundestagsabgeordneten sind selbst in Fragen einer Meinung, bei denen sie den Großteil ihrer 45 Fraktionsgefährten gegen sich aufbringen. Beide haben den Kosovo-Krieg abgelehnt, beide sehen den Verfassungsschutz kritisch. Beim NPD-Verbot vertreten sie entgegen gesetzte Meinungen – sie ist dafür, er dagegen.

„Bedenken haben wir alle“, sagt auch die grüne Fraktionsvorsitzende Kerstin Müller, die gleichwohl aus der Sitzung vom Dienstag den Eindruck mitnahm, eine Mehrheit unterstütze das Verbot. Beschlossen wurde vorerst nur, das Beweismaterial gründlich zu prüfen. „Bei den Grünen hat es schon immer unterschiedliche Meinungen zu Sinn und Unsinn von Parteienverboten gegeben“, weiß Müller. Buntenbach etwa steht Parteienverboten „grundsätzlich skeptisch“ gegenüber, sieht aber im Fall der NPD „spezifische Gründe“ für ein Verbot: „Die NPD ist Anlaufstelle und Durchlauferhitzer für die rechtsextreme Szene.“ Einig sind sich Befürworter und Gegner in ihrer Kritik an „der Ersatzdebatte“, bei der mehr über das Verbot als über die NPD geredet werde.

Einen radikalen Meinungswechsel hat zuletzt keiner der grünen Abgeordneten vollzogen. Trotzdem blieb die öffentliche Erregung nicht folgenlos. „Man muss auch immer die gesellschaftliche Situation sehen“, sagt Fraktionschefin Müller. Wenn es jetzt nicht zu einem Verbotsantrag käme, „was wäre das für ein Signal“? Allen juristischen Unwägbarkeiten zum Trotz setzt Müller auf einen gemeinsamen Antrag von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung. „Ein gewisses Prozessrisiko gibt es immer.“ PATRIK SCHWARZ