npd-verbot
: Fragwürdiger Konsens

Der „Aufstand der Anständigen“ (Schröder) im Kampf gegen Rechts hat sein erstes Etappenziel erreicht. Der höchst umstrittene NPD-Verbotsantrag wird gestellt werden. Damit hat die Bundesregierung, allen voran Innenminister Otto Schily, nach drei Monaten Dauerdiskussion gezeigt: Wir tun etwas gegen den Rechtsextremismus. Sei’s drum, gönnen wir Rot-Grün diesen schwer erstrittenen Erfolg.

Kommentarvon EBERHARD SEIDEL

Ab jetzt geht in dieser unerfreulichen Angelegenheit alles seinen bürokratischen Gang. Und bis das Bundesverfassungsgericht ein mögliches Verbot ausspricht, dürfte das eine oder andere Jahr ins Land gehen. In dieser Zeit wird das rassistische Morden und Treiben munter weitergehen. Nicht weil die NPD noch nicht von der Bildfläche verschwunden ist, sondern weil es ihrer dazu gar nicht bedarf.

Die NPD ist nicht die Ursache und der Grund für die rassistische Gewalt, sie ist auch nicht in der Lage, diese zu organisieren und zu steuern. Das ist zwar die Diskussion von gestern, doch sei ein letztes Mal der Hinweis erlaubt: Anders als beim Linksextremismus fallen beim Rechtsextremismus Meinungs-, Organisations- und Aktionspotenziale nicht zusammen. Es gilt: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden von Politikern aller Parteien propagiert, als durchgehende Programmatik werden sie nur von marginalisierten Parteien vertreten, die rassistische Gewalt aber wird meist von amorphen Gruppen ausgeübt, die weder in der SPD noch in der NPD organisiert sind, sondern ihre Anreize aus dem Diskurs der gesellschaftlichen Mitte beziehen.

Sollten die anständigen Aufständischen also merken, dass ihre Verbotsmaßnahme ins Leere läuft, gilt es in Deckung zu gehen. Denn die Erfahrung lehrt: Nichts ist dem anständigen Deutschen fremd, wenn es gilt, dem Ausland zu beweisen: Wir sind anders, als ihr denkt.

Verbot von Baseballschlägern, Langhaarpflicht, Waffenschein für Springerstiefel, Führerschein für das Internet, nächtliche Ausgangssperre für Jugendliche – all das wird nun wieder bis zum Erbrechen diskutiert werden, bis der letzte Anständige erschöpft im Fernsehsessel zusammensinkt. Und dann? Dann schalten wir um und widmen uns mit Otto Schily anderen wichtigen gesellschaftlichen Themen. Ausländerkriminalität und Asylmissbrauch wären eigentlich wieder einmal an der Reihe. Allein aus Gründen des gesellschaftlichen Konsenses, auf den die rot-grüne Regierung so besonderen Wert legt.

brennpunkt SEITE 3