Alte Noblesse

■ Förderfähig: Die „Remodernisierung“ von misshandelten Altbremer Häusern

Das Bremer Haus ist ein geschundenes Wesen. Einst als kleinste mögliche Einheit für eine Großstadt mit menschlichem Antlitz konzipiert, galt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Vorbild an Maßstäblichkeit. Über die Jahrzehnte erfuhr es manche Modifikation: Hier ein bisschen mehr Stuck, dort ein Türbogen – aber das Prinzip eines schmalen, meist dreigeschossigen Hauses mit steilen Stiegen und schlanken, vertikalen Fensterteilungen ist weitgehend erhalten geblieben.

Bis in die Sechzigerjahre: Da brach auch in Bremen mit Macht die Moderne an und der Stuck ab. Von etwa 20.000 im Originalzustand erhaltenen Bremer Häusern wurde in den Sechziger- und Siebzigerjahren jedes fünfte „fehlmodernisiert“. Hinter dieser freundlichen Umschreibung verbergen sich meist grobe Brutalitäten, die bis heute in fast jeder historischen Straße der Stadt zu bewundern sind: Riesige Schaufenster wurden in die Fassaden gebrochen, der Stuck wurde ratzekahl abgeschlagen, und dann kam eine praktische glatte Fassade davor – ein flacher Deko-Klinker, Verschalungen aus Aluminium oder Plastik und schon war die Ansicht versaut. Dahinter verbarg sich lediglich der Zeitgeschmack – nicht, wie man vermuten könnte, eine Isolierschicht. Im Gegenteil: Bei vielen Häusern machten sich hinter der abwaschbaren Außenhaut sogar Feuchtigkeit und Schimmel breit.

Wie bei Ulrike Schmidt: Als sie ihr Haus in der Neustadt kaufte, war es „das hässlichste in der Straße“. Weißes PVC bedeckte Vorder- und Rückseite, im Badezimmer kam der Schimmel durch. Die Eigentümerin entschloss sich zu einer „Remodernisierung“: Die hässlichen Plastikplatten wurden entfernt und eine zwölf Zentimeter starke Isolierschicht aus Polystyrol aufgebracht, darüber neu verputzt. Heute strukturieren sogar wieder dezente Stuckbänder die Fassade. Und die zum Glück erhaltene, geschnitzte Tür wurde aufwändig restauriert.

Nicht billig das Ganze, aber zum Glück gab es Fördermittel. Der Bremer Energie-Konsens hat ein zusätzliches Programm für jene Hausbesitzer aufgelegt, die ihr Haus im Zuge einer Wärmeisolierung dem gestalterischen Originalszustand näher bringen. Bei Ulrike Schmidts Haus wäre das Unternehmen fast an zu neuen Fenstern gescheitert: Nach der Isolierung lagen sie zu tief in der Fassade, aber an Auswechseln war noch nicht wieder zu denken. Also wurde die Isolierschicht rund um die Fensterleibung stufenweise nach hinten abgesetzt.

„Nicht ganz orignalgetreu“, sagt Vera Litzka vom Energie-Konsens, „aber wir wollen ja auch nicht nachkitschen, sondern das Bremer Haus neu interpretieren.“ Hauptsache ist, dass die Proportionen hinterher wieder stimmen. Das ist bei Ulrike Schmidt gelungen: Heute steht sie stolz auf der Treppe und erzählt, wie ihr Haus wieder zu einem Schmuckstück wurde. Auch die Nachbarn sind beeindruckt. Im Scherz fragen sie schon mal, ob sie die – allerdings längst entsorgte – Plastikfassade ausleihen können. Fördermittel gibt es nämlich nur, wenn die Originalfassade schon hinüber ist. Wenn der alte Stuck noch erhalten ist, rät der Energie-Konsens aus ästhetischen Gründen von einer Fassadenisolierung ab – oder schlägt eine Teilisolierung vor, die die verzierte Vorderseite nicht berührt.

Jan Kahlcke

Informationen unter Tel.:  37 66 713