berliner szenen
: Im Museum der Dinge

Ideale

Wir leben in der Großstadt. Das Leben ist roh. Ideale gehen verloren. Manchmal landen sie im Museum. Das Museum der Dinge im Martin-Gropius-Bau sammelt schon lange Ideale in jeder Form. Zuletzt wurde eine schöne Sammel-Ausstellung daraus gemacht, die zwar am 29. Oktober endet, aber erfreulicherweise am 10. Dezember wieder eröffnet wird. Als neue Marotte hat sich das Museum der Dinge jetzt das Sammeln von Objekten ausgedacht, die „Ideal“ heißen. Das sind zum Beispiel Nylonstrumpfhosen oder Handwaschbecken. Eine Praktikantin des Museums hat recherchiert, dass es bei Aldi Haferflocken der Firma „Ideal“ zu kaufen gibt.

Am Donnerstag fand in den Museumsräumen dann auch noch eine „Tafelrunde“ zum Thema statt. An weiß gedeckten Biertischen sollte man sich bei Rotwein und Baguette über seine Ideale unterhalten. Für die Mottoparty hatten die Museumsangestellten Reden vorbereitet. Praktikantinnen verkauften Pommes mit eigenwilligen Passionsfrüchten, Krabbenchips oder Früchtebrot. Dazu lief Musik von Caterina Valente, die irgendwann auch mal eine Art Ideal verkörpert haben soll.

Gekommen waren überwiegend Beschäftige des Museums, deren Eltern und ein paar Abgekämpfte, die sich aus der Sieben-Hügel-Ausstellung in den zweiten Stock verirrt hatten. Auch ein Zuckertüten-Sammler war da. Er hatte eine Kiste und viele Zeitungsausschnitte dabei und schien traurig, dass seine Mitbringsel niemanden interessierten.

„Geschätzte Idealisten“, ging es los. Ein Herr hielt einen komplizierten Vortrag, in dem es viel um „den Lebenslauf von Alpha nach Omega“ ging. Verstanden hat man wenig.

Besser kam die Kuratorin mit ihrem Beitrag zum Idealgewicht an. Er handelte von Hollywood-Diäten, Gurken- und Erdbeertagen. Mit halsbrecherischen Formeln fingen alle an, auf dem Tischtuch ihr Idealgewicht auszurechnen. Wer es als Erstes raus hatte, bekam eine Wundertüte mit einem „Ideal“-Kondom.

Dann trat ein kleiner Mann mit sympathischem Hamstergesicht nach vorne. Er war von der „Ideal“-Versicherung, die das Museum der Dinge sponsert. Humorig erzählte er von einem Berliner Oberkellner, der den Vornamen „Ideal“ hatte und gerne Briefe mit „Es grüßt Dich Dein Ideal“ unterschrieb. Außerdem hatte der Versicherungsmann ein Geschenk dabei, das er auspackte, bevor er es der Direktorin überreichte: Eine Kühltasche.

Spätestens ab da war die Laune gut. Zwar versuchte der ehemalige Museumsleiter Eckehard Sieckmann mit einem „Schweinsgalopp durch den Idealismus“ noch einmal Nachdenkliches ins Tischgespräch zu tragen. Sein Ausflug über Platon, Kant und Hegel endete ernst: „Jetzt, wo jedes Unternehmen – selbst die Müllabfuhr – eine eigene Ideologie hat, ist Idealismus nur noch das Credo der Hersteller von Idealwaren.“ Aber längst knabberten alle die seltsamen Passionsfrüchte und freuten sich, dass das Museum so liebevolle Veranstaltungen arrangiert. Später, als das Lied „Irre“ von der Gruppe „Ideal“ gespielt wurde, sagte der Versicherungsmann noch: „Wir sind alle nur Gast auf dieser Welt.“ KIRSTEN KÜPPERS