EX und Hopp mit dem Kneipenkollektiv?

Am Wochenende diskutiert eine Vollversammlung über die unsichere Zukunft des Szeneprojekts im Mehringhof

Der Weg in jenen Hinterhof in Kreuzberg, vorbei an Graffitis, durch einen Dschungel aus Plakaten, schlagen Linke in Westberlin zu jeder Tages- und Nachtzeit fast automatisch ein. Hat man Glück, so hängt im Hof schon der erste überdimensionale Veranstaltungskalender des EX. Oder ein zehn Quadratmeter großes Plakat, das für Aktionen wirbt. Aktuell für den Widerstand gegen Castortransporte, für die Abschaffung der Atomenergie weltweit.

Ansonsten informiert derzeit noch die „EXse“, ein monatlich erscheinendes Faltblatt, über die Veranstaltungen im EX. Derzeit bestimmt allerdings ein ganz anderes Thema die Diskussion: das legendäre Kneipenkollektiv steht vor dem Aus.

Mal wieder kann man über die Zukunft des verlängerten Wohnzimmers, so wie einige Leute ihre Stammkneipe nennen, besorgt sein. Derzeit zapfen über hundert unterschiedliche WirtInnen, putzen nachts die Klos und bemühen sich, diesen besonderen Kreuzberger Ort zu erhalten. Fast alle arbeiten hier ohne Lohn.

Erst seit drei Jahren, als das alte Kneipenkollektiv die Arbeit niederlegte, gibt es diese neue Struktur. Wahrscheinlich das größte Kneipenkollektiv in Berlin. 15 bis 20 unterschiedliche Gruppen à 10 Leute, von AltkollektivistInnen bis Jugendantifa, über StudentInnengruppen bis zu Hausprojekten, schmeißen hier in regelmäßigen Abständen die Schichten.

Die finanziellen Nöte sind dabei nicht mehr das Hauptproblem. Auch wenn von dem geringen Umsatz auch noch des öfteren aus der Kasse geklaut wurde. Vielmehr gibt es strukturelle und personelle Schwierigkeiten. Zwar existiert noch eine Koordinierungsgruppe, um etwa die Tresenschichten zu koordinieren, doch einige der Tresengruppen haben bereits aufgehört zu zapfen, einige haben dies angekündigt, und an manchen Tagen macht die Kneipe auch schon mal später auf oder bleibt ganz geschlossen. Die Gruppe Öffentlichkeitsarbeit hat auch nur noch zwei Mitglieder. Und unklar ist auch, ob und wann die Frauen der Bürogruppe aufhören.

Die Meinungen und auch die Gefühle zu diesem Szeneort sind inzwischen sehr gespalten. Für Klaus aus der Einkaufsgruppe, der fast Tag und Nacht im EX schuftet, scheitert das Projekt schon an der Tatsache, dass vermutlich aus den eigenen Reihen regelmäßig aus der Kasse Geld gezockt wird. Für andere EX-WirtInnen ist die Kneipe schon seit längerer Zeit kein attraktiver oder interessanter Szeneort mehr. Fast charakteristisch scheint das chronische Irren und Wirren für das EX zu sein, dem Ort, an dem sich ein breiteres Spektrum an Publikum zum Trinken, Klönen und Diskutieren trifft als an anderen Szeneorten und wo aufgrund des vielen Platzes spontan politische Veranstaltungen im größeren Rahmen stattfinden können.

Klar ist, dass allein die Nostalgie nicht ausreicht, um das EX vor dem Hopp zu bewahren. Dringend gesucht werden neue Ideen, klare Konzepte und Leute, die wieder frischen Wind und Schwung in die kleine Berliner Oase der besonderen Art bringen. „Ich hoffe, dass es weder so weiter läuft wie im Moment, noch dass es mit einem neuen Organisationskollektiv klappt, sondern dass sich Leute für ein Kollektiv finden“, so Michael aus der Öffentlichkeitsgruppe. Derzeit existieren unterschiedliche Modelle für die Neustrukturierung der Kneipe. Ob sich ein neues Kollektiv für das EX findet oder ob das größte Kollektiv der Welt in der Art und Weise weiter existieren will, soll am Wochenende bei der Vollversammlung beschlossen werden. CLARA HOLWEIN