ERSTE FREIE WAHLEN IN DER GESCHICHTE DES KOSOVO
: Kurs Unabhängigkeit

Der 28. Oktober 2000 ist ein historisches Datum für das Kosovo. Zwar wurden lediglich Kommunalwahlen unter internationaler Anleitung durchgeführt. Aber erstmals in der Geschichte konnte die Bevölkerung ohne Angst vor Repression zu den Wahlurnen schreiten und in freier Wahl ihre Vertreter für 32 Bezirke bestimmen. Damit wurde nach dem Einmarsch der Nato-Truppen im Sommer 1999 ein großer Schritt unternommen, um die versprochene Demokratisierung auch umzusetzen. Dass sich die serbische Minderheit nicht für die Wahlen registrieren ließ, ist nicht nur der Propaganda des Milošević-Regimes zuzuschreiben. Die serbische Bevölkerung Kosovos ist in ihrer überwältigenden Mehrheit auch jetzt noch nicht bereit, in einem albanisch dominierten Kosovo zu leben. Noch immer überlagert der kulturelle und ethnische Disput jegliche rationale Diskussion. Aus dem Kosovo-Mythos der nationalen serbischen Romantik wird nach wie vor der Anspruch auf die Herrschaft über das Land abgeleitet. Verändert hat sich in Bezug auf Kosovo bei den Serben nichts.

Auch bei den Albanern nicht. Seit 1912, als Kosovo von serbischen Truppen erobert wurde, ist die albanische Bevölkerung blutigen Repressionen ausgesetzt gewesen. Sie wurde über Jahrzehnte verfolgt, deportiert und ihrer grundlegenden Rechte beraubt. Lediglich in den Jahren zwischen 1974 und 1989 erfuhr sie erlebte als autonome Region Erleichterungen. In einem serbischen Staat weiterleben zu müssen, ist ihnen unerträglich. Warum, so fragen sie zu Recht, sollen ausgerechnet wir, die uns weder Kultur noch Sprache mit Serbien verbinden, in Serbien bleiben, wenn alle anderen Republiken Jugoslawiens und sogar Montenegro faktisch unabhängig geworden sind?

Angesichts der widersprüchlichen Haltung der internationalen Gemeinschaft, die Kosovo nach wie vor als Teil Serbiens ansieht und gleichzeitig als internationales Protektorat regiert, steht der Kampf um die Unabhängigkeit nach wie vor auf der Tagesordnung. Für die Albaner sind Wahlen allemal eine Gelegenheit, den Wunsch nach Unabhängigkeit zu demonstrieren. Da sind sich Rugova, Thaci und alle anderen einig. Im Rahmen einer demokratischen Entwicklung kann ihre Stimme nicht ignoriert werden. Dass eine Kommission der UN sich kürzlich für die Unabhängigkeit ausgesprochen hat, ist ein erstes Zeichen, dass die starre Haltung der internationalen Institutionen aufzuweichen beginnt. ERICH RATHFELDER