Zeitungsente?
: Alte neue Pläne

■ Stadtwerder ohne Kleingärtner

Erstaunt waren gestern wohl alle – Freund und Feind der Stadtwerder-Bebauung. Die Tageszeitung Die Welt hatte gestern einen Plan aufgetischt, wonach die Kleingärtner von der Werderinsel komplett verschwinden würden: Dort wo heute noch Grünkohl wachst, könne in Zukunft eine venezianische Lagunenstadt entstehen. Statt ins Umland abzuwandern, könnte der Stadtwerder rund 18.000 Eigentums-süchtigen Menschen schicken Wohnraum bieten, die mit „Wassertaxis“ in die Innenstadt schnurren, so verlauteten zumindest die „Pläne der Kaufmannschaft“.

Nur: Der Plan ist alt. „Uralt“, sagt die im Artikel mit keinem Wort erwähnte Handelskammer. Just die hatte aber eben diesen Plan anno 1994 als Ideen-skizze anfertigen lassen. „Heute“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Matthias Fonger, „haben wir kein Interesse an dem Plan. Er wurde auch nie weiter verfolgt.“ Die Lagunenstadt sei auch nicht Gegenstand aktueller Diskussionen im Hause. Vielmehr ist seit dem Kompromiss im vergangenen Jahr klar, dass nur der Bereich um die so genannte umgedrehte Kommode bebaut werden soll. Bei der Welt wolle die Handelskammer nun eine Richtigstellung bewirken, bevor die Kleingärtner die Messer wetzen.

DieWelt erwähnt tatsächlich mit keinem Wort das Alter der Pläne. Der erklärende Satz, dass die Skizze „aus alten Schubladen“ stamme, muss wieder rausgeflogen sein, so Mitautor Florian Hanauer. Aber: Auch wenn die Lagunenstadt sechs Jahre alt sei, „die Pläne kursieren immer noch in der Stadt“. DieWelt habe das als Denkmodell gegen Abwanderung in den Blickpunkt rück-en wollen.

Trotzdem: Keiner der zitierten Gesprächspartner aus Politik und Bauunternehmern hat den Lagunenplan gesehen. „Nach dem Plan bin ich nicht gefragt worden“, bekannte Bauunternehmer Michael Bongartz. Er kennt zwar den Plan – allerdings von der Präsentation der Handelskammer vor sechs Jahren. „Bei uns kreisen solche Pläne nicht“, erklärt selbst Baupolitiker Helmut Pflugradt (CDU). Schließlich wolle die CDU derzeit nicht an die Kleingärten ran. Auch SPD-Politiker Carsten Sieling und die Grünem-Politikerin Karin Mathes wurden nur nach einer Stellungnahme zum Stadtwerder gefragt, nicht zu dem abgedruckten Plan.

Insider vermuten, dass Befürworter der Stadtwerderbebaung das Thema am Kochen halten wollen. Auch wenn im Moment die Kleingärten nicht in Frage stehen, würde noch in vielen Köpfen die Komplett-Bebaung herumspuken. pipe