„Ich bin fast unschlagbar“

Heute steigen die Langstreckenschwimmerinnen vor Hawaii ins Wasser. Es geht um WM-Titel. Peggy Büchse spricht zuvor über gefährliche Haie, die Lust am Kraulen und frivole Sprüche des Trainers

Interview FRANK KETTERER

taz: Frau Büchse, die Weltcuprennen finden zum Teil in Flüssen statt, bei der WM vor Hawaii wird im Meer geschwommen. Was ist Ihnen lieber?

Peggy Büchse: Ein Fluss. Da ist es einfach ruhiger, schon weil er weniger Wellen hat. Das Salzwasser im Meer ist nicht so angenehm, gerade wenn man mal unfreiwillig einen Schluck nimmt.

Außerdem gibt es im Meer Haie. Ist das Thema nicht doch eher ein PR-Gag, um etwas Aufmerksamkeit aufs Langstreckenschwimmen zu lenken?

Also, PR-Gag würde ich das nicht gerade nennen, Haie gibt’s ja wirklich. Bei der WM vor zwei Jahren in Perth waren wir mitten drin im Haigebiet. Aber es ist bestimmt so, dass die Veranstalter uns nie würden schwimmen lassen, wenn da vorher eine Rückenflosse aufgetaucht wäre. Es werden so viele Sicherheitsvorkehrungen getroffen, dass da nichts passieren kann. Hoffe ich.

Der Pazifik rund um Hawaii zählt ja zum Glück nicht zu den Jagdgründen der Knorpelfischchen. Was haben Sie sich für die WM vorgenommen?

Ein Sieg wäre natürlich traumhaft, schon weil mir ein WM-Titel noch fehlt. Und eigentlich ist das auch mein oberstes Ziel.

Wo stehen die Chancen dafür besser: über 5 oder 25 Kilometer?

Mein Trainer sagt 50 : 50, und ich glaube ihm das natürlich. Letztendlich ist es mir auch egal, wo ich die Medaille hole, Hauptsache, ich hole sie. Wobei es durchaus sein kann, dass ich auf die 25 Kilometer verzichte und über 10 Kilometer starte. Die sind neu im Programm und werden in vier Jahren in Athen vielleicht olympisch. Dafür könnte ich dann ja vor Hawaii schon mal üben.

Sie haben es vor knapp einem Monat verpasst, den dritten Gesamt-Weltcup in Folge zu gewinnen. Woran lag’s?

Schon die Saisonvorbereitung lief bei mir nicht ganz so optimal. Ich war ziemlich oft krank und konnte nicht so recht trainieren. Was dann prompt dazu führte, dass ich im Frühjahr von den Weltcups in Südamerika keinen Sieg mitbringen konnte, ganz im Gegensatz zum Vorjahr, in dem ich alle vier Rennen gewonnen hatte und dort schon als Weltcupsiegerin feststand. Den verlorenen Punkten bin ich die ganze Weltcupsaison über hinterhergeschwommen.

Ohne sie aufzuholen.

Stimmt. Prinzipiell bin ich aber auch mit dem zweiten Rang zufrieden, weil der wesentlich schwerer zu erreichen war als der erste im letzten Jahr.

Was man unter anderem auch beim letzten Weltcup Anfang Oktober in der Themse gesehen hat. Da hatten Sie nach 10 Kilometern nur zwei Sekunden Vorsprung.

Richtig. Bei so relativ kurzen Strecken wie 5 oder 10 Kilometer bleibt das Feld jetzt meist sehr dicht beieinander. In London wurde das Tempo erst auf dem letzten Kilometer so richtig angezogen. Das endet dann fast wie im Radsprint. Da kann man einfach nicht mehr viel mehr als zwei Sekunden Vorsprung rausschwimmen.

Selbst im eigenen Lager haben Sie mit Angela Maurer aus Wiesbaden und Britta Kamrau aus Rostock verdammt starke Konkurrenz bekommen.

Ich sehe das eher locker. Britta und Angela schwimmen ja auch nicht erst seit gestern – und dennoch hatte ich sie bisher meist im Griff. Das hat ja auch mein EM-Sieg in diesem Jahr wieder gezeigt: Wenn ich meine optimale Form habe, bin ich nach wie vor fast unschlagbar. Nur gelingt es eben nicht immer, diese Form auf den Punkt zu erreichen. Dann sind eben die anderen da ...

... und schnappen Ihnen das ohnehin dürftige Preisgeld weg, das man in Ihrem Sport verdienen kann.

So ist das halt. Für den Weltcup-Gesamtsieg hätte ich 12.000 Dollar bekommen. Umgerechnet auf die acht Rennen, an denen ich teilgenommen habe, ist das nun wirklich nicht sonderlich viel. Nur gut, dass ich mir darüber nicht allzu viele Gedanken mache. Ich schwimme ja nicht des Geldes wegen.

Sondern?

Es macht mir Spaß, zu schwimmen, es macht mir Spaß, durch die Welt zu reisen, und es macht mir Spaß, mich unter Beweis zu stellen und mich selbst zu fordern. Zu sehen, wo die Grenzen sind, physisch und psychisch.

Und wo sind Ihre Grenzen?

Körperlich habe ich die noch gar nicht so kennen gelernt, auf diese Erfahrung warte ich noch. Ich musste noch nie aus dem Wasser gezogen werden, und ich bin noch nie umgekippt, nachdem ich angeschlagen habe, meistens hätte ich sogar noch ein paar Meter weiter schwimmen können.

Und mental?

Die mentale Grenze nach hinten zu verschieben, das ist die Kunst: mit jeder Situation im Rennen fertig zu werden und noch das Beste daraus zu machen, auch wenn es mal nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat.

An was denken Sie während fünf Stunden Schwimmen?

Ich bin meistens ins Rennen vertieft und beschäftige mich mit taktischen Dingen: dass ich meinen Rhythmus finde, dass ich nicht abreißen lasse, dass ich einen Zwischenspurt einlege, wenn es nötig wird. Außerdem ist alle 15 bis 20 Minuten Trinken angesagt, darauf muss man sich auch vorbereiten. Mit all diesen Dingen vergeht die Zeit eigentlich ziemlich schnell.

Denken Sie ans Aufgeben im Wettkampf?

Das kommt aufs Rennen an. Wenn es sehr schwer geht, dann denkt man häufiger darüber nach und stellt sich die Frage: Mensch, warum machst du das eigentlich? Wenn man gut drauf ist, ist das hingegen kein Thema.

Um böse Gedanken erst gar nicht aufkommen zu lassen, schreibt Ihnen Ihr Trainer im Begleitboot hin und wieder lustige Dinge auf eine Tafel.

Ach ja, das kommt schon mal vor. Er versucht mich halt zu motivieren und mich bei Laune zu halten.

Was schreibt er dann so?

Das ich heute wieder besonders gut aussehe und so Zeug. Aber das ist mehr intern und nicht unbedingt für die Zeitung.