Expo am Meer ist gut

■ Zufallsimpressionen contra Fischbrötchen online im Blindverkostungstest / Die Wilhelmshavener Weltausstellung geht zu Ende – very charming, very interaktiv

Nein, Anzeigetafeln für die Wartezeiten vor den einzelnen Pavillons gibt es in Wilhelmshaven nicht. Noch nicht einmal Warteschlangen gibt es auf der Expo am Meer, was wiederum den Nachteil hat, dass man nicht so genau wissen kann, wo man nicht reingehen sollte. Selbst vor der Hauptattraktion Oceanis – immerhin in etlichen deutschen Städten großzügig beworben – kein Kleinfamilienpulk. Dabei bietet das Ding einen echten Vorgeschmack auf den Bremer Freimarkt! Es scheint speziell dazu entwickelt worden zu sein, aus dem 20-Millionen-Mark-Etat doppelt so viele Oh-ohs aus den Mündern schnauzbärtiger Papis zu generieren. Ein echter Gewinn also. Wer indes den Fehler begeht, sich ohne Kleinkind auf den Schultern durchschleusen zu lassen, weiß hinterher zumindest, was sich die Geldgeber von der Wilhelmshavener Sparkasse unter „Multimedia“ vorstellen, und wie doof das sein kann. Auf jeden Fall der Geheimtip für Menschen, die es schaffen, sich in der Geisterbahn wirklich zu gruseln.

Da war es doch eben! Jetzt ist es raus, das neuzeitliche Zauberwort Nr. 1. Noch einmal: „Multimedia“. Ja, das steht automatisch für ganz viel Zukunft mit ganz viel Aufregung durch mehr Fernsehen, was wiederum automatisch mehr Arbeitsplätze ergibt. Doch das wissen wir ja längst, der eine oder andere Politiker sprach bereits davon. Schön. Wenn das Fernsehen dann auf dem Computer gemacht wird, heißt das immer noch „interaktiv“. Zugegeben, schon etwas angestaubt, genau wie „multikulti“. Beides aber prallt aufeinander, will man den Kauf eines Fischbrötchens partout mit einem Besuch auf der Expo am Meer verbinden. Wie das geht? Ganz einfach dem Mann in der Dönerbude Bescheid sagen, dass man ein Fischbrötchen aus der Fischbude bestellen möchte. Dann dort bezahlen, das Wechselgeld aber wieder in der Dönerbude abholen. Was, noch ein bisschen mehr Remoulade? Und der nette Imbissmann läuft schon wieder zurück in die Fischbude! Very charming! Very interaktiv! Gelungenes Multikulturing.

Zeit für das Zauberwort Nr. 2: „online“. Die Marine geht zum Beispiel online auf der Expo am Meer und garniert das Ganze mit ein paar Minen und so. Genaugenommen ist die Marine sogar schon weggegangen, virtuell aber noch voll da. Zu den noch zu besichtigenden Restbeständen gehören ein paar Computer, und wie üblich ein bisschen Fernsehen im Dauerloop. Das mögen die Deutschen.

Was aber genau „online“ ist, zeigt sich erst in einem verwaisten Gebäude der Bonte Kaserne. Dort stehen in einem Raum zwei Computer mit einer kleinen Linse oben drauf. Und wenn man zu zweit ist, und so tut, als wäre man allein im Raum, kann man so etwas wie Bildschirmtelefon machen, „online“! Für welches Projekt das jetzt steht, warum und wofür? Keine Ahnung! Macht aber Spaß!

Jetzt schnell einen großen Bogen um den Publikumsmagnet Azoren Pavillon machen und ein paar Ecken weiter schon heißt dann die chinesische Hafenstadt Quingdao mutige Besucher herzlich willkommen. Putzige Pokemon-Plagiate stehen am Eingang Spalier, und die Deko aus Scherenschnitten vermittelt in Sekundenbruchteilen, was kleine chinesische Finger zu leisten vermögen. Viele große Buntfotos zeigen brave chinesische Menschen bei der Ausübung von Kultur. Rührig auch die tapfer bersetzten Bildunterschriften der eigentlich total ernst gemeinten Ausstellung. Was das soll? Keine Ahnung, aber macht Spaß! Der Geheimtipp für Freunde unfreiwilliger Komik. Die Menschen dort sind garantiert echt und keine Schauspieler.

Was nun eigentlich noch fehlt ist das Zauberwörtchen Nr. 3: „E-Comerce“. Aber Wilhelmshaven ist ja auch nicht die Hauptstadt der Weltausstellung. Noch nicht einmal Hauptstadt am Meer. Wenn man es positiv betrachtet, ist die Expo am Meer eine gelungene Mischung aus Museum, Heidepark Soltau, Tag der offenen Tür, Deutschlanderlebnisswelt und Fachtagung. Für jeden etwas dabei. Sogar für Menschen, die kein Fernsehen mögen: Sie gehen bitte direkt zum Pavillon der Bundesanstalt für Fischereiforschung. Dort gibt es echte Menschen, die detaillierte Informationen und authentisches Hintergrundwissen im direkten Gespräch vermitteln. Alles über Fische, Netze und Fischstäbchen. Die Original-Mitarbeiter der Bundesanstalt schaffen hier mit einem bemerkenswert geringeren Etat einen wohltuenden Gegenpol zur blutleeren Virtualität moderner Multimediapräsentationen. Der Geheimtipp für Menschen, die immer schon einmal ein Kabeljau sein wollten.

Sie wollen Wilhelmshaven lieben lernen? Dann besuchen Sie die Expo am Meer. Schade nur, dass sie gestern zu Ende gegangen ist. Macht aber auch nichts: Weil nur 50.000 und nicht wie in Hannover 22 Millionen Menschen weniger als prognostiziert gekommen sind, feiern die Wilhelmshavener ihre Expo als Totalerfolg und weltausstellen im kommenden Jahr wieder von vorne. Zeit genug also noch, um Wilhelmshaven lieben zu lernen. Olaf Liebert