Die Reeder regieren die Meere

Nach der Havarie des Öltankers „Erika“ vor zehn Monaten wollte die französische Regierung die Sicherheitsstandards auf See deutlich verbessern. Geschehen ist bis heute allerdings nichts

PARIS taz ■ Nichts lief, wie es hätte laufen sollen, als im Dezember vergangenen Jahres der Öltanker „Erika“ vor der französischen Küste auseinander brach. Das Meer war „zu stürmisch“ für den Einsatz von Rettungsbooten. Das Wasser war „zu kalt“, weshalb das Öl aus dem Bauch der Erika klebrig und zäh blieb. Es gab keine geeigneten Maschinen zum Absaugen. Es gab viel zu wenig schwimmende Absperrungen für die bedrohten Küstenstreifen. Und dann schwappte die schwarze Flut zu Weihnachten auch noch hunderte von Kilometern nördlich des vorausgesagten Ortes an die Küsten.

Nachdem die Katastrophe geschehen war, stellten die erstaunten Küstenbewohner fest, dass nicht etwa das Unternehmen Total, dem die gefährliche Ladung an Bord der „Erika“ gehörte, sondern die französischen Steuerzahler für die milliardenteuren Reinigungs- und Entschädigungskosten aufzukommen hatten. Und dass als einzige „Verantwortliche“ für den Untergang des Tankers, der in den Vorjahren mehrfach als „Sicherheitsrisiko“ aufgefallen war, dessen indischer Kapitän und dessen italienische Reederei und Kontrollgesellschaft herangezogen werden sollten. Total, zwischenzeitlich zu Total-Elf-Fina funsioniert, verzeichnete in der ersten Hälfte dieses Jahres die größten Gewinne seiner Geschichte.

Die rot-rosa-grüne Regierung in Paris hatte die Lage in den ersten Tagen nach der Katastrophe falsch eingeschätzt. Die grüne Umweltministerin Dominique Voynet etwa verkündete in einer der meistbetroffenen bretonischen Küstengemeinden, man könne noch nicht von einer Öko-Katastrophe sprechen. Dann wollte die Regierung alles gutmachen. Zu Anfang dieses Jahres legte der kommunistische Verkehrsminister Jean-Claude Gayssot einen Aktionsplan zur Verbesserung der Sicherheit bei Seetransporten vor, den er in der EU durchsetzen wollte. Frankreich als EU-Ratspräsidentin in der zweiten Hälfte des Jahres 2000, hieß es verheißungsvoll, werde sich dafür einsetzen, ein europäisches Seefahrtsüberwachungssystem zu schaffen. Dabei ist es geblieben.

Gestern erklärte Pascal Braud von der „Bürgerinitiative gegen die Schwarze Flut“, die sich im vergangenen Dezember gebildet hatte, die neuerliche Katastrophe der „Ievoly Sun“ hätte vermieden werden können, wenn die angekündigten schärferen Kontrolle eingeführt worden wären.

Ein Sprecher der Seefahrergewerkschaft in der CGT, Paul Hellequin, wütete in der bretonischen Stadt Brest: „Wir werden für dumm verkauft. Die Herren der Meere sind weiterhin die Reeder.“

DOROTHEA HAHN