Wo Frauen Kuschel kaufen

Bei „Pfundsweiber“ in Prenzlauer Berg können Frauen Kleidungsstücke „mit Seele“ und bis Größe 60 erstehen. Ladeninhaber Frank Döring: „Das ist mein Beitrag, die Welt zu verändern“

Frank Döring: „Schlanksein hat nichts mit der Realität auf der Straße zu tun“

von KIRSTEN KÜPPERS

Ein „Kuschel“ ist ein Oberteil aus knallrotem Teddyfell. Weit, warm, flauschig und bis Größe 60 lieferbar. Das Stück kostet 169 Mark. Wenn ein „Kuschel“ kein Kleidungsstück wäre, sondern eine Behausung, wäre es eine gemütliche Höhle, in der man sich im Winter daheim fühlen könnte. „Kuschels“ gibt es nicht bei Karstadt, Quelle oder H&M. Sondern nur bei „Pfundsweiber“ – dem „Modeladen für starke Frauen“ in Prenzlauer Berg.

Andere dort erhältliche Modelle heißen „Big Zippelding“ oder „Goldstaub“. Auch diese geräumigen Kleider könnte man sich als behagliche Wohnungen vorstellen. Wohlbefinden ist das große Thema des Erfinders der Stoffimmobilien. Der 31-jährige Designer Frank Döring hat in seinen Laden einen dampfenden Zimmerspringbrunnen aufgestellt, jede Kundin bekommt Gummibärchen. Zum Service gehörten früher auch noch Kuchen, „stundenlang auf einem bonbonfarbenen Sofa rumsitzen und besoffen gemacht werden“. Das ist jedoch lange vorbei. Döring näht jedes seiner Produkte selber. Da bleibt keine Zeit für alkoholisierte Sofasitzerinnen.

Mit der Boutique für Obergrößen will Döring seine runden Kundinnen indes immer noch nicht weniger als „glücklich machen“. Angefangen hat er vor zwölf Jahren mit dem Entwerfen von Kleidung für schlanke Leute. Als Döring merkte, dass „das nichts mit der Realität auf der Straße zu tun hat“, veranstaltete er eine Modenschau für dicke Frauen. Damit landete der Designer prompt im Fernsehen der DDR.

Nach dem Mauerfall schloss sich der Besuch in einer spirituellen Kommune in Indien an. Monatelang blieb Döring in Goa hängen. Später entdeckte ihn eine blondierte Strabschmuck-Gräfin in einem Laden für Übergrößen am Savignyplatz. Die Gräfin war an Döring interessiert, sie kaufte ihn mit einem Flugticket für ihren Modesalon auf Teneriffa ein. Allerdings hatte die Gräfin Alkoholprobleme, und Döring kehrte „emotional gereift“ nach Berlin zurück.

Inzwischen fertigt er seine Kleider nicht mehr aus Lack und Chiffon, sondern nur noch aus selbst gefärbten Naturstoffen. „Jedes Stück hat eine Seele“, sagt Döring.

Das seit einem halben Jahr existierende Geschäft „Pfundsweiber“ nennt er seinen „Beitrag, die Welt zu verändern“. Denn in den westlichen Gesellschaften würden dicke Frauen diskriminiert. „In Indien dagegen gelten sie als Symbol für Weiblichkeit, Mütterlichkeit und Fruchtbarkeit“.

In den letzten Jahren, findet Frank Döring, seien „seine Schäfchen“ aber auch in Deutschland viel selbstbewusster geworden. Er zeigt viele Fotos von frohen Kundinnen in langen Batikgewändern. Eine Frau hat in einem seiner Kleider dieses Jahr in Las Vegas Hochzeit gefeiert.

Später kommt eine Frau in Dörings Laden, die den roten „Kuschel“ kauft. Das macht sie offensichtlich happy – sie verabschiedet sich mit munteren Küsschen. Die Frau hat eine stachelige Frisur und einen künstlichen Tigerfellmantel an. Von Beruf ist sie Handleserin.

„Pfundsweiber – Der Modeladen für starke Frauen“, Prenzlauer Allee 195, 10405 Berlin